„Sitzungspräsident“ Volker Weininger mal ganz nüchtern

„Nach Mitternacht gehe ich nicht in die Bütt“

An den Anblick muss man sich erst gewöhnen: Man kennt Volker Weininger (52) als stark angesäuselten „Sitzungspräsident“, ein Glas Kölsch in der Hand und eine schief sitzende Narrenkappe auf dem Kopf, der in der Bütt seine Witze macht. Beim Treffen mit dem Stadtmagazin bewies Weininger, dass er sich seine eigenen Gedanken über den Karneval macht, der in wenigen Tagen in die Session startet.

von Christof Ernst

Seit mehr als 10 Jahren ist er als „Sitzungspräsident“ ein Star in der Bütt, nicht nur in Köln, sondern selbst in Düsseldorf. Auch außerhalb des Fasteleers ist Weininger als Kabarettist erfolgreich. Er bezeichnet sich selbst als Spätstarter: „Ich wollte zwar immer Kabarett machen, habe aber erst einmal an der Bonner Uni auf Lehramt studiert.“ Doch der Drang zur Komik war stärker. In den 1990er Jahren entwickelte Weininger die Type des Sitzungspräsidenten. „Im Café Hahn in Koblenz gab es an Karneval die ,Blaue Bütt‘, wo ich 15 Jahre lang aufgetreten bin. Anfangs spielte das Thema Alkohol und dass ich während meiner Rede einige Kölsch zische überhaupt keine Rolle. Das kam erst später dazu.“ Als er sich beim Vorstellabend 2012 in die Narrenhochburg Köln wagte, hatte der in Bonn lebende Weininger durchaus Bedenken: „Die Figur des Sitzungspräsidenten ist ja auch eine Parodie auf Vereinsmeierei und jecke Funktionäre. Aber es hat von Anfang an gut funktioniert.“ Weininger wurde rasch von renommierten Karnevalsgesellschaften gebucht. Aber er hat längst nicht jedes Angebot angenommen: „Wenn man als damals noch Unbekannter um Mitternacht nach den Höhnern oder Brings auftreten sollte, dann konnte das nur in die Hose gehen. Da wäre man schnell verbrannt.“ Deshalb lehnt Weininger solche Angebote bis heute ab: „Kein Redner tritt im Karneval gern zu später Stunde auf.“

Ein Auftritt mit dem „Herrengedeck“ wurde zur Sensation

Vor knapp zwei Jahren passierte etwas Unerwartetes: Bei der Prinzenproklamation 2022 im Gürzenich trat Weininger mit den Bütt-Kollegen Martin Schops und J.P. Weber als „Herrengedeck“ auf. Das sollte eine einmalige Aktion sein, entwickelte sich aber aus dem Stand zu einem sensationellen Erfolg. Die Erfolgsformel laut Volker Weiniger: „Die Chemie stimmt. Wir verstehen uns bestens auf der Bühne. Es ist halt ein Alleinstellungsmerkmal, dass drei Künstler, die auch solo sehr erfolgreich sind, zusammen auftreten.“

Erfolg in der Bütt und auf den Comedy-Bühnen sind für Weininger noch nicht alles. Er ist Präsident der Karnevalisten-Vereinigung „KAJUJA“ und Autor der „Stunksitzung“. Weiningers erfolgreichster Text für die Stunker ist Legende: Angela Merkels fiktive Neujahrsansprache 2017, meisterlich dargebracht von Anne Rixmann. Das war sehr politisch und sehr satirisch. Muss das nicht auch aktuell in der Bütt ein Thema sein, angesichts solcher Themen wie Ukraine-Krieg, Klima-Protest und AfD-Hoch?

„Das Deppen-Apostroph tut besonders weh“

Da ist Weininger in seiner Figur als Sitzungspräsident eher zurückhaltend: „Bei mir steht die Politik nicht so im Vordergrund, was nicht heißt, dass es bei mir nicht auch was zum Nachdenken gibt.“ Aber er sehe es gerade in Zeiten, da es fast nur schlechte Nachrichten gibt, als seine wichtigste Aufgabe an, die Menschen einfach gut zu unterhalten. Das Bedürfnis danach sei sehr groß.

Manchmal kommt in Volker Weininger der „Lehrbeauftragte für Deutsch“ durch, der er vor seiner Bühnen-Karriere war. Richtig auf die Palme bringt ihn das „Deppen-Apostroph“, wie er den Versuch nennt, den Genetiv besonders kenntlich zu machen: „Es heißt einfach nicht ,Heidi’s Backstube‘ oder ,Wolli’s Wodka Wigwam‘. Das tut beim Lesen schon ein bisschen weh.“ Von diesen Schmerzen und den beruflichen Strapazen erholt sich Weininger mit seiner Frau und dem 12-jährigen Sohn besonders gerne in Schweden. Es darf auch schon mal die Hawaii-Insel Oahu sein. Denn dort leben seine Schwiegereltern.