„Loss mer singe“-Pionier Stefan Knittler – „Passiver Musikkonsum ist ein gefährlicher Trend“

Stefan Knittler hat sich in der Kölner Musikszene etabliert und begeistert mit seiner markanten Stimme Fans der kölschen Musik. Bekannt geworden ist Knittler durch das Projekt „Loss Mer Singe“; er schrieb sogar eine Hymne für das erfolgreiche Veranstal-tungsformat. 2018 wird für den gebürtigen Kölner, der in Rodenkirchen lebt und arbeitet, ein besonderes Jahr.
von Dennis Müller
KSM: Stefan Knittler, Sie sind im Karneval aktiv, aber nicht nur. Worin besteht der Unterschied zwischen Session und Nicht-Session?

Selbst, wenn man nicht explizit „Karnevalsmusiker“ ist, so wie ich, merkt man die Session allein durch die viel höhere Zahl der Auftritte, aber auch an deren Art: Es ist etwas anderes, wenn ich ein großes, abendfüllendes Konzert spiele und die Menschen kommen, um mich zu sehen, oder, wie in der Session, hauptsächlich für Kurzauftritte gebucht werde. Dennoch genieße ich auch diese Abende!

KSM: Die meisten Fans haben Sie über ihre „Loss Mer Singe“-Auftritte kennengelernt. Was macht dieses Format für Sie aus?

„Loss Mer Singe“ ist für mich der Wiedereinstieg in die Musik gewesen und überhaupt der Einstieg in die Kölsche Musikszene. Zuvor habe ich viele Jahre lang keine Musik gemacht. Doch bei Loss Mer Singe war ich von Anfang an dabei; dieses Format hat eine Menge Aufmerksamkeit für Kölsche Musik geschaffen und auch ein jüngeres Publikum angezogen. Man hat hier einen Nerv getroffen und die Vielzahl an Mitsingkonzerten zeigt, dass die Nachfrage weiterhin groß ist. Es ist doch ein wahnsinnig toller Erfolg, dass Kollegen wie Björn Heuser die Arena damit füllen.

KSM: Loss-Mer-Singe ist aber längst nicht mehr Ihr einziges Projekt…

2018 wird für mich ein extrem wichtiges Jahr, denn ich versuche, endlich wieder ein Album aufzunehmen mit eigenen Songs. Kreativität ist ein Prozess, den man aber nur in gewissen Grenzen beschleunigen kann, deshalb wird man sehen, wann es soweit ist. Ein weiteres tolles Projekt ist die Reihe „(P)op Kölsch“, die ich sieben Jahre lang im Gloria durchgeführt habe. Das war sehr erfolgreich und nun wagen wir einen großen Schritt, gehen raus aus dem Gloria und ziehen mit dem Format am 15. September in den Tanzbrunnen. Es wird spannend zu sehen, wie das angenommen wird – ich verspüre bereits jetzt große Vorfreude.

KSM: Gloria, Rhein-Energie-Stadion, Tanzbrunnen – sie sind mittlerweile auf den großen und traditionsreichen Bühnen zuhause…

Das wesentliche ist, dass Köln eine ziemlich gute Infrastruktur hat. Es gibt in allen Größen Spielorte und wahnsinnig viele Musiker in der Stadt. Daher gibt es hier ein unfassbares Know-How was die technische Realisierung von Live- Konzerten angeht. Das gibt es wohl in keiner anderen Stadt auf der Welt. Hier kann man wirklich jeden Tag Livemusik sehen; natürlich befördert durch den Karneval.

KSM: Kann genau diese Masse an Angeboten nicht auch zu einer Übersättigung führen?

Diese Gefahr habe ich schon vor fünf oder sechs Jahren gesehen, aber ich bin jedes Mal erstaunt, dass es doch immer noch mehr gibt und möglich ist, weil die Aufmerksamkeit und die Lust auf die kölsche Musik einfach sehr hoch ist und auch immer neue Zielgruppen erschlossen werden. Viel gefährlicher finde ich den Trend, dass sich eine Haltung etabliert, wonach Musik nur noch passiv und am liebsten noch kostenlos konsumiert wird – auch im Karneval. Viele Menschen hören die Musik nur noch nebenbei und setzen sich gar nicht mit der Darbietung des Künstlers auseinander. Stellenweise merke ich sogar bei kleineren Konzerten in Kneipen, dass die Leute den Künstlern nicht mehr richtig zuhören. Umso schöner sind für mich die Abende, an denen das Publikum voll mitzieht. Das sind Gänsehautmomente, die in Mark und Bein gehen!