Interview mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD)

„Bauen, Bauen, Bauen ist das beste Mittel“
Bei der Landtagswahl NRW am 14. Mai steht viel auf dem Spiel. Die Wahl gilt als wichtiger Gradmesser für die Bundestagswahl im September. Nachdem uns im vergangenen Monat CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet Frage und Antwort stand, stellt sich nun Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) den Fragen von Stadtmagazine-Redakteur Hans Peter Brodüffel zu aktuellen Themen der Landespolitik.
Hans Peter Brodüffel
Frau Ministerpräsidentin, welche Schwerpunkte setzen Sie beim Top-Thema Innere Sicherheit?
Wir verbinden Sicherheit, Bürgerrechte und Präventionsarbeit miteinander. Seit der Regierungsübernahme 2010 haben wir 1200 neue Stellen bei der Polizei geschaffen und bilden inzwischen jedes Jahr 2000 neue Polizistinnen und Polizisten aus – statt nur 1100 wie 2010. Künftig werden wir das auf 2300 steigern, weil wir mehr Polizisten auf der Straße haben wollen, bei der Kriminalpolizei und im ländlichen Raum. Außerdem stehen wir für eine harte Linie gegen Rockerkriminalität und Rechtsextreme. Wir haben Aussteiger-Präventionsprojekte auch für junge Salafisten auf den Weg gebracht, die bundesweit Vorbild geworden sind. Und die Jugendkriminalität ist auf dem niedrigsten Stand seit 45 Jahren. Wir haben also gute Erfolge für mehr Sicherheit in NRW vorzuweisen.
Bei der Kernaufgabe Infrastruktur müssen besonders viele Probleme gelöst werden. Wie wollen Sie beispielsweise die etlichen Stauengpässe in NRW beseitigen?
Es ist uns gelungen, dass jetzt endlich für die Sanierung von Autobahnen und Brücken 14 Milliarden Euro bis 2030 zur Verfügung stehen. Acht Milliarden Euro stehen für Investitionen in Schienen und die Modernisierung der Bahnhöfe bereit – 2,65 Milliarden Euro davon fließen allein in den Bau des Rhein-Ruhr-Express. Dass die Staus im Land für viele Menschen ein Ärgernis sind, verstehe ich gut. In den vergangenen Jahrzehnten wurde aber versäumt, genug in den Erhalt unserer Infrastruktur zu investieren.
Was unternehmen Sie gegen die akute Wohnungsnot in Großstädten und Ballungsräumen?
Gegen Wohnungsnot und steigende Mieten ist Bauen, Bauen, Bauen das beste Mittel. Unsere Wohnungsbauoffensive trägt Früchte: Über 40 Prozent mehr Baugenehmigungen im ersten Halbjahr 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum, bereits 2015 ein Plus im sozialen Wohnungsbau von 37 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und eine Aufstockung des Förderprogramms auf jeweils 1,1 Milliarden Euro in den Jahren 2016 und 2017 zeigen, dass wir auf einem guten Weg sind.
Wie wollen Sie den Wirtschafts- und Industriestandort NRW stärken?
NRW hat eine starke Wirtschaft. Seit 2010 gibt es 730.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte mehr in unserem Land. Die Zeichen stehen auf Wachstum. Das spüren die Menschen. Und das zeigt auch das Ergebnis des Jahreswirtschaftsberichts. In 2016 wuchs die Wirtschaft in NRW um 1,8 Prozent. Um Innovation und Fortschritt für Industrie, Mittelstand, Handwerk, Dienstleistung und Handel zu sichern, hat NRW als erstes Bundesland eine umfassende Strategie zur Gestaltung des digitalen Wandels vorgelegt. Beim schnellen Internet ist NRW mit über 82 Prozent Ausbauquote deutschlandweit führend unter den Flächenländern. Und unsere Zusage gilt: Bis 2018 flächendeckend mindestens 50 Megabit in ganz NRW und bis 2026 überall Glasfaser für das Gigabit-Zeitalter.
Welche Handlungsmaximen prägen Ihre Gestaltung der Energiewende in NRW?
Wir sind das Energieland Nr. 1 in Deutschland, deshalb ist die Energiewende für NRW eine besondere Herausforderung. Wir gestalten die Energiewende, indem wir bestehende zukunftsfähige Arbeitsplätze sichern und neue Arbeitsplätze schaffen, indem Energie immer klimafreundlicher und sauberer wird, indem Energieversorgung für Verbraucher und Unternehmer sicher und bezahlbar bleibt. Dies gilt für die Erzeugung und Nutzung von Strom ebenso wie für die Gebäudeheizung, denn die Energiewende wird neben der Strom- auch eine Wärme- und Verkehrswende werden.
Wie wollen Sie die Strukturfrage nach einem acht- oder neunjährigen gymnasialen Bildungsgang lösen?
Bei der Einführung von G8 hat die Regierung von CDU und FDP einen gravierenden Fehler gemacht, indem sie die Sekundarstufe I verkürzt hat. Dadurch wurde die Lernbelastung schon in den unteren Klassen deutlich erhöht. Diesen Fehler wollen wir als SPD korrigieren. Die Sekundarstufe I soll wieder ein Jahr länger dauern. Schülerinnen und Schüler können dann auch am Gymnasium wieder den mittleren Schulabschluss machen. Nach unserem Modell kann jeder Schüler individuell in der Klasse 10 an jedem Gymnasium entscheiden, ob er G8 oder G9 wählt – also ob er den schnellen oder den langsameren Weg gehen will. Dieses flexible Konzept wird von vielen Experten gelobt.

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