Ein Stück Fernsehgeschichte – Abschied von der Lindenstraße

An diesem Wochenende fährt ein letztes Mal ein Bus durch die Lindenstraße. Wenn der berühmte Ab – spann läuft, endet nach fast 35 Jahren ein Stück Fernsehgeschichte. Claus Vinçon, der in Köln und Erftstadt wohnt, ist seit 1995 mit dabei gewesen und erlebte als Schauspieler auch die letzten Drehtage der Serie.

von Philipp Wasmund

Kurz vor Weihnachten war der letzte Drehtag der Lindenstraße. „Es war aber eigentlich vier Wochen lang jeden Tag ein Abschiednehmen“, erzählt Claus Vinçon. Schließlich fiel für die Schauspieler an unterschiedlichen Drehtagen die letzte Klappe. „Produzentin Hana Geißendörfer hat dann immer eine kleine Ansprache gehalten. Es gab Applaus für jeden.“ Claus Vinçon war seit 1995 Teil der beliebten Serie, als „Käthe“ Eschweiler, bildete er lange Jahre ein Filmpaar mit Carsten Flöter, gespielt von Georg Uecker. Der berühmte erste schwule Kuss im Fernsehen war da schon eine Weile her. Doch auch diese Beziehung sorgte für Gesprächsstoff. Nach der Hochzeit zweier Männer, widmete sich die Serie dem Thema Adoption durch Homosexuelle. „Das wurde beiden zuerst verwehrt, aber sie durften dann ein mit HIV infiziertes Kind adoptieren.“ Wie nicht selten in der Lindenstraße ein Happy End mit bitterem Beigeschmack. „Das Kind bekommen sie, weil es sonst niemand haben möchte.“ Auch für Claus Vinçon hat es die Serie immer ausgemacht, Themen aus dem deutschen Alltag aufzugreifen. Entgegen landläufiger Meinung habe sich die Lindenstraße dabei auch stets regelmäßig verjüngt. „Gerade die jungen Schauspieler und die Geschichten ihrer Figuren kamen bei den Zuschauern immer sehr gut an.“ Die Fans zeigten sich häufig weniger an nostalgischen Geschichten interessiert. Dass darüber hinaus aber auch viele Ältere zu sehen waren, sei im deutschen Fernsehen ziemlich einzigartig. „Wo sieht man diese Generation ansonsten noch?“ Obwohl er selbst erst in den 90ern Teil des Ensembles wurde, schaut sich Claus Vinçon gerne viel ältere Folgen an. „Da gibt es so viel zu sehen, vom orangenen Wähltelefon bis zur Lava-Lampe“, sagt er und lacht. In den Achtzigern wurde auch schon der Klimaschutz thematisiert. „Ich habe vor Kurzem eine Folge gesehen, in denen Familie Beimer sich Wärmesäcke genäht haben. Sie sitzen da in diesen Stramplern und sparen Heizkosten“, berichtet Claus Vinçon fröhlich.

Blick ins Leben

Doch die Aktualität war zuletzt für die Lindenstraße schwieriger geworden. Die Nachdrehs waren schon häufiger als zu Beginn. Die globalisierte Welt gibt aber inzwischen einen anderen Rhythmus vor, sagt Claus Vinçon. „Selbst die Tagesthemen kommen ja an manchen Tagen nicht mehr mit.“ Die Lindenstraße müsste daher eigentlich live gedreht werden, um dem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Einen Test dazu gab es auch. „Aber die Kosten sind zu hoch. Langlebige Serien dieser Art wird es nicht mehr geben“, resümiert der Schauspieler. „Die Zukunft gehört den Mini-Serien, die in sechs Folgen, sehr verdichtet, aktuelle Themen verarbeiten.“ Das Ende nach fast 35 Jahren habe sich schon länger angedeutet. „Ich empfinde es ein Privileg, so lange Zeit eine Serie machen zu dürfen. Dass etwas endet, ist für mich als Schauspieler normal.“ Für die Jugendlichen im Team, das für sie eine zweite Familie war, war der Abschied härter. „Und für die Crew, das sind 120 Leute, die nun lange eine Festanstellung hatten, ist das schwer.“ Er selbst ist seit Kurzem Rentner und genießt das Reisen mit dem Wohnmobil. Ganz wie in der Serie, die „Camper“, die er einst entwickelte? Die Dauercamper verließen jedoch nie den angestammten Platz. „Ich mag es Deutschland zu erkunden, da gibt es viele schöne Ecken.“ Vinçon engagiert sich für die Grünen in der Lokalpolitik, ist Bezirksvertreter in der Kölner Innenstadt und Deutz, wo er neben Erftstadt wohnt. Er gibt Erste-Hilfe-Kurse und mit der „Röschensitzung“, der schwul-lesbische Karnevalssitzung, feierte er als Akteur und Autor zuletzt 20jähriges Jubiläum. Auch Theater möchte er weiter spielen. Die letzte Folge der Lindenstraße schaut sich das Team am Abend zuvor an. Schön sei, dass viele darin noch einmal kurz vorkommen. „Das bedeutet einem was, wie die tausendste Folge zu spielen. Wir haben die letzte alle noch nicht gesehen, das wird noch einmal ein besonderer Abend und dann wird groß gefeiert.“