„Wären mit einem einstelligen Platz voll zufrieden!“

Interview mit FC-Vize Toni Schumacher  – von Hans Peter Brodüffel

 
„Wir sind Europa“: Die FC-Euphorie rund um den Dom nach Platz 5 in der letzten Saison ist riesengroß. Stadtmagazine-Mitarbeiter Hans Peter Brodüffel sprach mit FC-Vizepräsident Harald „Toni“ Schumacher über die Perspektiven der Geißböcke und sein neues Buch „Einwurf“.
 
Herr Schumacher, das kölsche Fußballherz läuft über vor Glück: Nach einem Vierteljahrhundert kehrt der 1. FC Köln auf die zweitgrößte Bühne Europas zurück. Die Euphorie ist groß. Was raten Sie?
 

Ich freue mich riesig und kann nur dazu raten, die Euphorie in diese Spiele mitzunehmen. Sie wird uns tragen. Dass im Team und im Club trotzdem alle mit beiden Beinen auf dem Teppich bleiben und die Liga als wichtigsten Wettbewerb im Fokus behalten, daran habe ich keine Zweifel.

Kommt die Europa League nicht etwas zu früh unter personellen Gesichtspunkten?
 

Es ist nie zu früh oder zu spät, den Einzug in einen europäischen Wettbewerb zu schaffen. Was hätten wir sagen sollen nach Platz 5: „Hallo, liebe Gladbacher oder Schalker, macht ihr das mal für uns, wir übernehmen dann lieber nächstes Jahr?“ Quatsch! Wir hatten eine große, unerwartete Chance – und haben sie genutzt.

Viele Fans fragen nach der Gestaltung des Ticketverkaufs für die Auswärtsspiele in der Europa League.

Das Prozedere werden wir, wenn es so weit ist, wie immer über die Homepage, im GeißbockEcho, über Newsletter und andere Kanäle erklären, wenn es so weit ist.


Wo sehen Sie die Stärken des Kaders?

In der Geschlossenheit, dem Teamgeist, der Mentalität und der Vielseitigkeit – also in all dem, was uns seit Jahren auszeichnet. Und dass die Jungs auch gut kicken können, wissen wir.


Modeste hat in der letzten Saison fast die Hälfte aller Tore für den FC geschossen. Wie gefährlich ist diese Abhängigkeit von einem Spieler?

Das ist genauso eine theoretische Debatte wie die nach dem falschen Zeitpunkt für Europa. Keiner weiß, wie viele Tore andere Spieler an Tonys Stelle geschossen hätten – zu zehnt wären wir ja sicher nicht aufgelaufen. Tony Modeste hat eine überragende Saison gespielt. Einen Stürmer, der 25 Tore macht, ersetzt niemand eins zu eins. Es wird darum gehen, das Toreschießen auf mehr Schultern zu verteilen.

Toni Schumacher
Liebling der Anhänger: der „Vize“ und die Fans.


Wo landet der FC am Ende der Saison und wer wird Meister?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Bayern wieder den Titel holen. Wir wären mit einem einstelligen Platz voll zufrieden.

 
Der FC will eine größere Arena – zur Not auch außerhalb. „Der FC gehört zu Köln, wie Dom und Rhein“, heißt es in der FCCharta. Wie passt das zusammen?
 

Wir werden in aller Ruhe das Ergebnis der Machbarkeitsstudie zum Stadionausbau abwarten. Punkt.


Wie haben Sie den beim Confed-Cup praktizierten Videobeweis wahrgenommen?

Dass bei so einer Neuerung nicht am ersten Tag alles klappt, war klar. Aber ich kann nur lachen über die, die an den anfänglichen Kommunikationsfehlern gleich wieder erkannt haben wollen, dass der Videobeweis nicht zum Fußball passt. Ich habe schon vor 30 Jahren in meinem Buch „Anpfiff“ gefordert, dass der Fußball sich für die moderne Technik öffnen soll. Ich bin überzeugt, dass der Videobeweis es den Schiedsrichtern leichter und das Spiel gerechter machen wird.


„Der ganz private Toni Schumacher“ lautet der Titel des letzten Kapitel Ihres spannenden neuen Buches „Einwurf“, in dem Sie offen und direkt über depressive Phasen, krankhaften Ehrgeiz und chronische körperliche Schmerzen schreiben.

Es hat mich Überwindung gekostet, mich so zu öffnen. Aber am Ende bin ich droh darüber. Mir ging es nicht darum, Mitleid zu heischen oder eine Enthüllung zu bringen. Ich wäre froh, wenn sich die, die den Fußball begleiten, einfach ab und zu vergegenwärtigen, dass die vermeintlichen Superhelden da unten auf dem Platz auch nur Menschen sind. Zum Glück wird heute etwa bei der Betreuung der Spieler auch auf die Psyche geguckt, nicht nur auf Muskeln und Knochen. Das war zu meiner Zeit verpönt.


„Lieber ein Knick in der Laufbahn als im Rückgrat!“ lautet die starke Botschaft des Buches, die wohl auch Ihr sympathisches Lebensmotto ist.

Das habe ich mir nicht als Motto vorgenommen. Meine Mutter hat mich so erzogen: Ehrlich sein und fleißig sein. Nach meinem Rauswurf beim FC hätte man denken können, dass es ein Fehler war, ehrlich und geradeaus zu sein. Im Nachhinein bin ich selbst für diese negative Erfahrung dankbar. Denn ohne sie hätte ich nie etwas anderes gesehen als meinen geliebten 1. FC Köln, wäre nie nach Istanbul gegangen, das wie meine zweite Heimatstadt geworden ist, und hät
te nie für Schalke, Bayern und Dortmund gespielt. Heute profitiere nicht nur ich davon, sondern auch der FC. Ich wäre ein schlechterer Vizepräsident, wenn ich Köln nie verlassen hätte.