Viktorias Sportdirektor Andreas Rettig – „Als Diplomat bin ich ungeeignet“

Zurück zu den Wurzeln: Nach Jahren in der „Fremde“ kehrte Andreas Rettig (58) in diesem Jahr als Sportdirektor zu Viktoria Köln zurück. Bereits einmal hatte er in der Domstadt beruflich zu tun: Von 2002 bis 2006 war Rettig Manager des 1. FC Köln. Damals wie heute gilt: Der Mann redet keinem nach dem Mund, sondern hat seinen eigenen Kopf. Und er hat noch einen wichtigen Grund für die Rückkehr nach Köln: Seine Frau Cordula.

von Christof Ernst

Mit ihr ist Andreas Rettig seit über 40 Jahren zusammen. Im Gespräch mit dem Stadtmagazin beschreibt er sie so: „Cordula ist fest verwurzelt in Köln. Obwohl wir beide nicht einmal hier geboren sind. Meine Frau kam in Hilden zur Welt, ich in Leverkusen. Aber auf den Ort unserer Geburt hatten wir seinerzeit keinen Einfluss“ – und bei der Äußerung lacht Rettig herzhaft. Die mit dem Köln-Virus infizierte Ehefrau hat sich in ihre Arbeitsverträge als Apothekerin stets reinschreiben lassen, dass sie in der Karnevalswoche freinehmen kann.

Ein weiterer Grund: Rettigs Schwiegermutter ist 87 Jahre alt und lebt in Hürth. Der Ort war auch für den Fußballmanager vorübergehend Rettigs Domizil: „Als ich beim FC anfing, mussten wir schnell eine Wohnung beziehen und wurden in Hürth fündig. Die Sache hatte aber einen Haken: Wir haben erst später festgestellt, dass das Haus an einer stark befahrenen Straße lag. Die führte quasi quer durch unser Wohnzimmer.“ Von Köln ging es zum FC Augsburg, der unter Rettigs Regie den Aufstieg in die 1. Bundesliga schaffte. 2015 wurde er DFL-Geschäftsführer und wechselte 2017 zum FC St. Pauli. Nach der Rückkehr ins Rheinland ließen sich die Rettigs übrigens mehr Zeit mit der Wohnungssuche. Heute sind sie im Kölner Ortsteil Lindenthal zu Hause.

Meine Frau und ich haben das Vagabundenleben satt

Nun also Viktoria Köln, Dritte Liga. Um in der Fußballersprache zu bleiben: Ist das kein Abstieg? „Nein“, meint Rettig, „zum einen ist es die alte Verbundenheit zur Viktoria, bei der ich früher selbst gespielt habe. Aber auch Mäzen Franz-Josef Wernze war ein wichtiger Grund. Zum anderen hatten meine Frau und ich das Vagabundenleben satt und wollten nicht mehr umziehen.“

Bei Viktoria Köln 1904, wie der Verein offiziell heißt, zog Andreas Rettig direkt neue Saiten auf: Alle Profis und Vereinsangestellten müssen eine sogenannte „Gemeinwohl-Klausel“ unterschreiben. Die legt fest, dass jeder mindestens eine Stunde im Monat sozial tätig sein muss. Rettig: „Wir machen den Spielern Vorschläge, was sie tun können. Das kann zum Beispiel eine Blutspende sein. Auch die dient dem Gemeinwohl. Dieser Passus in unseren Verträgen ist übrigens einmalig im deutschen Fußball.“

125 Millionen Euro für Ronaldo sind unanständig und abstoßend

Richtig sauer wird Andreas Rettig, wenn man ihn auf die Summen anspricht, die Top-Fußballer pro Jahr einsteichen. So soll Cristiano Ronaldo bei seinem neuen Club Manchester United 125 Millionen Euro pro Jahr einstreichen. Rettig nimmt kein Blatt vor den Mund: „Das ist unanständig und abstoßend.“ So offen und geradeheraus war Rettig nicht von Anfang an: „Das musste sich erst entwickeln“, sagt er dem Stadt-magazin. „Aber irgendwann hat mich das Stromlinienförmige, das Glattgebügelte und dieser Einheitsbrei, den man oft in Interviews hört, geärgert. Wenn ich mich vor eine Kamera stelle, muss ich auch was zu sagen haben – oder ich lasse es bleiben.“ Die Konsequenzen sind ihm klar: „Für den diplomatischen Dienst bin ich denkbar ungeeignet.“

Übrigens: Andreas Rettig spielte zwar für mehrere Vereine, aber für die ganz große Profi-Karriere hat es nicht gereicht. Dennoch bleibt ein Erlebnis in Erinnerung: 1985 stand er in Diensten des Wuppertaler SV und schoss damals die Flanke, die sein Kollege Klaus Dieter Nuyken als Vorlage zum „Tor des Monats“ verwertete. „Ich war damals Rechtsaußen“, sagt Rettig, „allerdings nur auf dem Platz.“ Das könne man durchaus politisch verstehen. Denn er fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Seit der Geburt habe ich eine medizinisch anerkannte Rot-Grün-Schwäche.“