Lebendiger Adventskalender


Der Hennefer Weihnachtsmarkt ging gerade zu ende, als sich Rund 100 Meter entfernt in der Burggasse 4 pünktlich um 18 Uhr das Adventfenster bei der Familie Bleidistel öffnete und rund 20 Nachbarn und Mitglieder der evangelischen Kirchengemeinde sich um das Fenster versammelten. Mit ein paar Liedern begann das gemeinsame Treffen.


Frau Bleidistel erzählte eine kleine Geschichte, im letzten Jahr hat sie mit ihrem Mann noch Posaune gespielt, da waren sie zum ersten Mal Gastgeber beim Lebendigen Adventkalender. Früher hatten sie schon an dem schönen Brauch in Kerpen teilgenommen, wo sie früher wohnten. Die Gastgeberin strahlte so viel Liebe mit ihrem freundlichen Lächeln aus, jeder merkte, wieviel Freude sie hatte, die sie mit ihren kleinen Geschenken auch an ihre Gäste verbreitete. Zunächst erhielt jeder Gast eine Kerze mit Wachsteller, was ein sehr schönes wärmendes Bild um Haus Nr. 4 erzeugte. Nach einer kurzen Andacht gab es Plätzchen und warme Getränke, dann verteilte Frau Bleidistel Barbarazweige, ein alter Brauch zum Babara Tag – die Kirschzweige blühen dann an Weihnachten. Doch nicht genug: auf einer langen Stange hatte sie selbstgehäkelte Babara Stiefel aufgereiht, die sie mit Unterstützung ihrer Enkel an ihre Gäste verschenkte. Ihr Mann berichtete, dass seine Frau wochenlang damit beschäftigt war und auch ganz allein den Adventkalenderabend bei ihnen vorbereitet und gestaltet habe.


„Begonnen hat diese Aktion vor 18 Jahre die damalige Vertretung unserer Gemeindepädagogin, als diese zum ersten Mal in Elternzeit war. Ihr Anliegen war es, Menschen in der Adventszeit zusammenzubringen, um Gemeinschaft zu erfahren“ wusste Heike Waidelich zu berichten, die den Lebendigen Adventkalender jedes Jahr organisiert. Durch Corona gab es Einschränkungen. Der Neustart im letzten Jahr mit dem Eröffnungsfenster im Gemeindezentrum an der Christuskirche war ein besonderes Highlight für Pfarrer Stefan Heinemann: „alle Gastgeber des letzten Advents waren eingeladen, es spielte der Bläserchor – danach blieben viele der ungewöhnlich hohen Teilnehmerzahl noch für eine warme Tasse Tee da“.

In den vielen Jahren gab es rund 360 Gastgeber, viele davon mehrfache Gastgeber. Trotz Zoom-Treffen vorab mit allen Gastgebern, digitalisierte Vorlagen für Handzettel und Liedhefte, fanden sich in den letzten Jahren nicht für jedes Fenster Gastgeber.

Er gehört für die meisten genauso zu Weihnachten wie ein Tannenbaum, allerdings gibt es ihn noch gar nicht so lange: den Adventskalender. Seine Geschichte begann 1838. Johann Heinrich Wichern, Leiter des evangelischen Knabenrettungshauses „Rauhes Haus“ bei Hamburg, hatte wahrscheinlich genug von der Frage, wann endlich Weihnachten sei. So entwickelte er eine Idee zur Darstellung der verbleibenden Tage. Er nahm sich ein altes Wagenrad und einen Holzkranz und steckte 20 kleine rote und vier große weiße Kerzen darauf. Bei den täglichen Andachten, zu denen alle gemeinsam Adventslieder sangen, durften die Kinder eine rote Kerze anzünden, an den Adventssonntagen zusätzlich eine weiße. Erst 1902 veröffentlichte die evangelische Buchhandlung Friedrich Trümpler in Hamburg den ersten gedruckten Adventkalender. Sie entschieden sich für eine Weihnachtsuhr mit den Zahlen 13 bis 24, ab 1922 bekamen diese Uhren 24 Felder. In den 50er Jahren erfreute sich der Adventskalender dann einer flächendeckenden Beliebtheit. Nahezu überall konnten die Leute Adventskalender kaufen – er wurde zur Massenware und dementsprechend günstig. Die Motive waren hauptsächlich romantisch verschneite Städte, hinter dem 24. Türchen verbarg sich eine Krippenszene. Aber auch handgemalte Adventskalender verschiedener Künstler gelangten zu immer größerer Bedeutung. Nachdem die Adventskalender in der Nazizeit einen Rückgang erlebten, ließ Richard Sellmer 1946 in Stuttgart die Herstellung wieder aufleben. Durch die große Nachfrage in Deutschland erreicht der Kalender schnell Berühmtheit in Großbritannien und den USA. Mittlerweile werden in Deutschland Millionen von Adventskalendern gedruckt, mehr als die Hälfte davon geht ins Ausland.


Der erste Schokoladenadventskalender erschien 1958. Heute gehört dieser neben Spielzeug- oder Bilder-Adventskalendern zu den am häufigsten gekauften Kalendern. Eine ganz besondere Form wurde in den vergangenen Jahren immer beliebter: der Lebendige Adventskalender. (hei)