Landrat Michael Kreuzberg im Gespräch – „Den Kopf im Wind“

Landrat Michael Kreuzberg beendet am Ende der Wahlperiode in wenigen Wochen seine politische Laufbahn. Philipp Wasmund und Manfred Damaschke trafen ihn für die Stadtmagazine zum Gespräch.

Stadtmagazine: Herr Kreuzberg, die Aufgabe als Bürgermeister und als Landrat ist mit großer Verantwortung verbunden. Hatten Sie den Eindruck, Sie konnten etwas gestalten oder mussten Sie mehr verwalten?

Michael Kreuzberg: Ich habe es begrüßt, als die Aufgabe des vormals ehrenamtlichen Stadtoberhaupts und des hauptamtlichen Verwaltungschefs zusammengelegt wurde. Damit erhielten die Bürgerinnen und Bürger mehr Klarheit in den kommunalen Verantwortlichkeiten. Um das Amt erfolgreich zu führen, muss man Menschen gegenüber empathisch und positiv eingestellt sein. Ob in der Bürgerschaft oder in der Verwaltung, alle haben ihre Sorgen und Nöte. Darüber hinaus gilt es, mit Verstand und Vernunft fachliche Fragen, Ideen, Vorgänge und Verfahren auf Kompatibilität zur Lebenswirklichkeit der Menschen zu prüfen. Ich habe mich immer als Diener der Stadt- oder Kreisgesellschaft verstanden.

SM: Ein gutes Stichwort ist da der sogenannte Kohle-Kompromiss, der sehr gelobt wurde. Manche Leute scheinen inzwischen aber doch nicht so zufrieden zu sein. Sie waren bei den Verhandlungen sehr engagiert. Enttäuscht das?

MK: Man musste damit rechnen, dass es nach dem Gelingen eines solch großen, gesamtgesellschaftlichen Kompromisses hier und da ergebniskritische Meinungen geben würde. Doch sehen wir, dass nun kurzfristig Projekte schon auf die Beine gestellt wurden, ja schon genehmigt sind, die nachhaltig, zukunftsorientiert und arbeitsplatzschaffend und -sichernd sind. Mein Eindruck ist, dass viele die Chancen des Strukturwandels sehen. Dieser wäre irgendwann sowieso gekommen. Wegen der negativen Erfahrungen im Ruhrgebiet haben wir uns frühzeitig zur „Zukunftsagentur Rheinisches Revier“ zusammengeschlossen, um den Strukturwandel zu organisieren. Dies trägt nun Früchte.

SM: In Ihre Amtszeit als Brühler Bürgermeister fiel auch das schwere Zugunglück im Jahr 2000. Es ist sicher noch einmal etwas anderes, ob man das im Fernsehen sieht oder in Verantwortung steht.

MK: Ja, natürlich. Dies war schon ein sehr belastendes Ereignis. Der Weg zum Bahnhof erschien aufgrund einer eigenartigen, als besonders empfundenen nächtlichen Stille gespenstisch. Dann die lautlose kilometerlange Schlange von blinkenden Rettungswagen. Die Einsatzkräfte vor Ort mussten unglaubliche Situationen höchster psychischer Belastung durchstehen. Die ersten 24 Stunden kam niemand zu Schlaf, mehrere Pressekonferenzen Tag und Nacht, eine ganze Woche hielt ich mich nur am Bahnhof auf, um den Krisenstab zu leiten.

SM: Eine Herausforderung war sicher auch die Flüchtlingssituation im Jahr 2015. Manche sagen, dass der Rhein-Erft-Kreis mehr Härte zeigt als andere Regionen.

MK: Wir haben im Rhein-Erft- Kreis besonders viele Menschen aufgenommen. Dank einer hohen Bereitschaft in der Bürgerschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, konnten wir viel Positives schaffen und Flüchtlinge versorgen. Auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Kreisverwaltung haben Unterkünfte hergerichtet, Betten zusammengebaut und aufgestellt und für Hilfsgüter gesorgt. Deswegen ist da mancher Vorwurf ungerechtfertigt und zu einseitig hart. Die Menschen im Rhein-Erft-Kreis wissen, dass ich kein Hardliner und absolut für Entscheidungen mit Augenmaß bin. Aber wenn Urteile zur Ausreise gefällt werden, dann ist dem ein ganz langer und intensiver Prozess vorausgegangen. Bevor es zur Abschiebung kommt, sieht unser demokratischer Rechtsstaat etliche Ansprachen vor, um es nicht zu Zwangsmaßnahmen kommen zu lassen. Ich stehe da uneingeschränkt zu unserem Staat und zu seinen rechtsstaatlichen Strukturen.

SM: Der Kreis ist schuldenfrei, damit können Sie sicher zufrieden sein. Manche Städte haben aber große finanzielle Sorgen. Was sind weitere Themen für die nächsten Jahre?

MK: Zunächst haben wir die Kreisumlage gesenkt, um unsere Städte zu entlasten. Und nächstes Jahr wird es voraussichtlich noch einmal eine weitere Entlastung geben können. Letztlich müssen aber auch die Städte ihre Hausaufgaben machen und weitestgehend zur Gesundung ihres Haushaltes beitragen. Wenn wir nach vorne schauen, wird ein wichtiges Thema die Autobahnbrücke in Wesseling bleiben. Da denke ich, dass ein Tunnel die nachhaltigere Lösung für Mensch und Natur ist. Die TH-Ansiedlung in Erftstadt wird nicht nur für Erftstadt einen Quantensprung bedeuten. Wir benötigen die Fachkräfte, die da ausgebildet werden, um den Strukturwandel zu formen und zu begleiten. Die TH wird Investitionen und Arbeitsplätze in die Region ziehen. In Hürth und Wesseling wird das Thema Wasserstofftechnologie vorangetrieben. Es ist meines Er achtens eine Technologie, die den Menschen gut vermittelbar ist und auf die man setzen sollte.

SM: Wie möchten Sie die gewonnene freie Zeit nach dem Ende der Amtsgeschäfte nutzen?

MK: Über ein Vierteljahrhundert hatte ich im Rhein-Erft-Kreis den Kopf als erster im Wind. Den Kreis werde ich auch weiterhin aufmerksam begleiten. Ich möchte nun mehr Zeit mit Familie und Freunden verbringen. Zudem bleibe ich im Ehrenamt aktiv. Ich werde meine Aufgabe als Präsident des Zentral-Dombau-Vereins jetzt mehr ausfüllen können und bleibe auch dem Karneval verbunden als Senatspräsident der Ehrengarde der Stadt Köln. Ich bin nicht der Typ, der nur herumsitzt und die Vögel beobachtet.

SM: Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute.

Seit seinem 20. Lebensjahr ist Michael Kreuzberg politisch aktiv. Stationen sind u. a. Büroleiter eines Kölner Bundestagsabgeordneten, Wahlkampfleiter in Köln, Kandidatur für die Bezirksvertretung Rodenkirchen. Seit 1995 ist Michael Kreuzberg im Rhein-Erft-Kreis durchgängig in politischer Verantwortung. Zunächst als CDU-Parteivorsitzender, dann vierzehn Jahre als Brühler Bürgermeister, seit sieben Jahren als Landrat des Rhein-Erft-Kreises.