Erftstädter Skateboardstar Willow Wildgrube – Der große Sprung

Schon als Jugendlicher wurden Sponsoren auf ihn aufmerksam. Sein Können auf dem Skateboard führte ihn durch die ganze Welt. Willow Wildgrube, genannt „The German Hammerking“, lebte seinen Traum. Zuletzt veröffentlichte er seine Autobiographie. Aber was macht ein Skateboarder mit Mitte 30?

von Philipp Wasmund

Das Leben ist weniger glamourös als früher. Willow Wildgrube steht in seinem Haus in Erftstadt- Köttingen um 5 Uhr auf, kümmert sich um die Kinder und fährt dann zur Arbeit. Er macht eine Ausbildung zum Schreiner. „Als ich angefangen habe, da war das ein biss – chen ein Kulturschock“, sagt er lachend. „Da treffen immer noch Welten aufeinander.“ Kein Wunder, der als Sportler weltweit verehrte Skateboard-Star geht noch einmal in die Lehre. Vor wenigen Jahren sah seine Welt noch anders aus. Und darüber hat er mit Unterstützung einer Autorin ein Buch geschrieben. „Ich war da selbst ein bisschen überrascht, was da so aus mir rauskam“, berichtet er an einem Spätsommerabend auf seiner Terrasse. Im Buch erzählt Willow alles in seiner ureigenen Berliner Schnauze. Eine chronologische Abfolge, wie man sie von vielen Autobiographien kennt, findet man hier nicht. Willow macht inmhaltliche Sprünge, so wie er skatet, ganz überraschend. Die Jahre fliegen so dahin und immer wieder greift er auf Erlebnisse zurück, als würde ihm gerade noch etwas Neues einfallen. Skateboardfans sind begeistert und auch bei Lesungen bekommt er viel Rückmeldung. Die Fans respektieren, dass er ohne Rücksicht auf finanzielle Einbußen ehrlich über das harte Geschäft als Sportstar berichtet. Viel Raum nimmt ein, dass er den Druck der Sponsoren spürte, wenn es ihm eigentlich schlecht ging. Wie er immer wieder krank aufs Brett stieg, spektakuläre Sprünge anging vor zahllosen Fans, und stürzte. Im Laufe des Buches erkennt man, dass dies Spuren hinterlässt, die schließlich zu einer gefährlichen Angststörung führt. Der Körper wehrt sich gegen das Pensum. „Man war halt wie fremdgesteuert“, sagt er heute.

Schattenseiten des Ruhms

In der Zwischenzeit rauscht das Leben so vorbei. Wie Willow nach zwanzig Jahren der erste deutsche Profi-Skater wurde und riskiert, um sich treu zu bleiben, alles zu verlieren. Es gibt zu diesem Zeitpunkt eine Willow-Skateboard-Linie, Willow- Schuhe und Willow-Shirts. Doch die Sponsoren möchten ihn zu Wettbewerben schicken, wofür der sensible Sportler nicht gemacht ist. Er dreht lieber ausgefeilte Videos, als YouTube und Instagram noch eher unwichtig waren. Fotos seiner spektakulären Sprünge erscheinen in Magazinen, im Kino werden vor ausverkauftem Haus die Filme gezeigt. Er lebt in Barcelona, fliegt in die USA, reist quer durch Europa und nach China, um seine Kunst zu zeigen. Und er trifft seine Idole. Doch die Welt der Schönen und Reichen hat Risse. „Auf den Philippinen traten wir auf und verteilten unsere Werbegeschenke. Als die weg waren, wurde die Menge sauer und bewarf uns mit Steinen.“ Während die schöne Werbewelt glitzert, erblickt Willow die Schattenseiten. Am Straßenrand: halbtote Menschen; in Bars die Europäer, die junge Frauen in Manila ausbeuten. Willow erzählt auch von den Abenteuern der Jugend, wie er die Nächte durchmacht und trinkt, wie er klaut und in verlassenen Hallen illegal skatet, schließlich die große Liebe findet. Heute hat er nach 15 Jahren seine Sponsoringverträge verloren. „Das zieht einen anfangs runter, es ist als ob man von einer Frau verlassen wird und sich fragt, was man falsch gemacht hat.“ Aber der Zirkus ist einfach weitergezogen und die Sponsoren zahlen sowieso für die Skater nicht mehr wie einst. „Ich habe das Leben voll ausgekostet und bereue nichts“, sagt er. „Während andere ins Büro gingen, habe ich die Welt gesehen.“ Aber der Körper ist durch die vielen Verletzungen schwer geschunden. Seit einigen Jahren verarbeitet Willow alte Skateboards zu Handwerkskunst. Er konnte damit schon einige Erfolge feiern. „Ich will das aber richtig lernen, deswegen die Ausbildung zum Schreiner“, erzählt er. Willow arbeitet nun, wie er skatet, mit absoluter Hingabe. Und am Sonntag findet man ihn immer noch im Skaterpark. „Das Hochgefühl, wie über siebzehn Stufen zu springen, das habe ich nicht mehr. Aber die kleinen Tricks sind auch etwas wert“, betont er. „Ich werde auch noch mit 50 skaten.“ Und mit seiner Möbelkunst hat er noch viel vor.