„Ich will Anwalt der Gäste sein“

Essen mit Restaurantkritiker Carsten Henn

Der Hürther Carsten Henn ist nicht nur Bestseller-Autor, sondern auch ein renommierter Restaurantkritiker. In einem Restaurant in Erftstadt hat er Stadtmagazine-Redakteur Hans Peter Brodüffel seine Arbeitsweise geschildert.

„Rosa gegarte Bresse-Taube findet sich mit Kerbelwurzel, Shiitake, und Crue de Cacao (geröstete und fein zerstoßene Kakaobohnen) auf dem Teller, wodurch ein sehr subtiles Spiel der Aromen entsteht, das die Taube niemals überdeckt. Das Dessert mit gebrannter Schokolade, OrangenChicoree und Zitrone ist in seiner zurückhaltenden Süße und aufgrund der feinen Bitternoten sehr modern und überhaupt nicht ermüdend.“ Mit fünf Sternen hat der Hürther Restaurantkritiker Carsten Henn die Neueröffnung „Prunier Cologne“ in der Altstadt geadelt. Seit acht Jahren bewertet Henn für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ Restaurants in Köln und der Region. Zweimal im Monat erscheint „Henns Geschmackssache“ mit ausführlicher Besprechung, Probiertes und Fazit. „Natürlich gibt es auch Verrisse. Ich habe zum Beispiel das Restaurant des Geißbockheims mal kräftig in die Pfanne gehauen, was mir als FC-Fan nicht leicht gefallen ist. Nach anderen Verrissen habe ich sogar Hausverbot bekommen“, schmunzelt Henn, der sich für sein Testessen immer unter falschem Namen anmeldet. Zur Sicherheit wechselt er auch alle paar Monate die E-Mail-Adresse aus, und seinen Namen hat er schon lange nicht mehr im Telefonbuch stehen. Gutes Essen ist Henns heiße Leidenschaft, die ihn nicht nur Restaurants in unserer Region, sondern in ganz Deutschland und in Spitzenrestaurants europäischer Metropolen wie London, Barcelona, Kopenhagen („Besonders angesagt, radikal regional.“) und Stockholm bewerten lässt.

Loben macht mehr Spaß

Wenn Henn als Kritiker in ein Restaurant geht, verhält er sich wie ein ganz normaler Gast, der unauffällig seine Notizen macht. „An erster Stelle meiner Kriterien steht die Produktqualität, die viel über die Leistung des Kochs aussagt.“ Ganz wichtig seien Garzeit und Temperatur. „Eine lauwarme Suppe, das geht gar nicht.“ Zudem müsse ein Restaurant sein Versprechen einhalten. „Wenn es mit Kreativität wirbt, erwarte ich einen kreativen Teller. Wirbt es mit Traditionalität, ist meine Erwartungshaltung entsprechend.“ Weitere wichtige Fragen: Ist der Service freundlich und schnell genug? Wie lange muss man auf sein Essen warten? „Länger als zwanzig Minuten sollte man nicht warten müssen. Meine rote Linie ist eine halbe Stunde. Die Rechnung sollte nicht länger als fünf Minuten in Anspruch nehmen.“ Die Speisekarte darf nicht zu umfangreich sein und bei der Weinkarte legt er Wert auf faire Preise und die Erwähnung der Jahrgänge. Außerdem müssten auch einige offene Weine angeboten werden. Henn hat Weinbau in Australien studiert und diverse Sachbücher über Wein verfasst, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Der 49-Jährige sieht sich keineswegs als grimmiger Kritiker. „Positiv bewerten und das Lob den Lesern mitteilen, macht mir viel mehr Spaß. Die Leser müssen auch merken, dass man vom Essen fasziniert ist.“ Und: „Ich will Anwalt der Gäste sein.“ Wie sieht der Kritiker die Restaurants der Zukunft? „Der Trend zum Vegetarischen und Asiatischen wird sich weiter verstärken. Ich befürchte, dass Spitzenrestaurants wegen Personalmangel einen zusätzlichen Tag in der Woche schließen müssen.“ In seinem vor zwei Wochen erschienenen neuen kulinarischen Kriminalroman „Ein Schuss Whiskey“ nimmt er die Leser mit auf eine spannende Zeitreise in das Dublin des Whiskey-Booms. Ein Krimiautor aus Deutschland sieht wie am Ufer der Liffey eine junge Frau mit einem Kopfschuss hingerichtet wird…