Engagement in der Krise – Erftstadt gemeinsam in Aktion

Vielfach sind es die kleinen Angebote zur Unterstützung in der Nachbarschaft, die diese schwere Situation erträglich machen. Darüber hinaus wurden aber auch Aktionen ins Leben gerufen, die den Gemeinsinn stärken oder konkret helfen, wo es gerade besonders nötig ist. Einige stellen wir hier vor.

von Philipp Wasmund

Angefangen hat alles mit der „Ode an die Freude“. Die Musikschullehrerinnen Ulrike Warnecke und Monika Schumacher schrieben ihre Schüler an, ob sie nicht wie in anderen Städten aus den Fenstern heraus musizieren wollen. „Die Resonanz war sofort groß. Und selbst die Eltern holten ihre Blockflöten raus“, erzählt Warnecke. Die Pädagoginnen versorgen über die Webseite www.fagotte.eu Interessierte mit Noten und jeden Sonntag wird musiziert. „Das ist ein schönes Gefühl, sorgt für Nähe im Viertel und gibt Struktur“, so Warnecke. Auch Martin Mölder und seine Nachbarn in der Berliner Straße folgten der Idee. „Wir haben hier eine enge Nachbarschaft. Alle waren sofort begeistert mitzumachen.“ Mölder spielt E-Piano, die Boxen kommen in den Vorgarten. Dort spielen seine Tochter Alma Querflöte und ihre Freundin Julia Blockflöte. „Wir sind uns durch die Aktion hier näher gekommen“, sagt Nachbarin Margret Trump. Sie suchte Texte heraus und kopierte sie für die 10 bis 15 Nachbarn. Sie singen im Sicherheitsabstand „In unserm Veedel“. Nähe herstellen, das war auch Stefanie Schwarz wichtig. Sie baute mit anderen die Corona- Hilfe für Erftstadt über Face book auf. Gemeinsam organisierte man hier unter anderem alles Nötige für eine Frau mit Kindern, die sich frisch von ihrem Mann getrennt hatte. „Er hatte alle Geräte im Haus mitgenommen und die standen dann ohne Kühlschrank da“, erzählt Schwarz. Für die LKW-Fahrer am Rastplatz backte die Gruppe Muffins. „Die Bereitschaft anderen zu helfen ist in Erftstadt sehr groß ist“, sagt Stefanie Schwarz glücklich.

6000 Masken

Über 600 Menschen sind in der Stadt Nutzer der Tafel. Viele Helfer der Tafel sind Rentner, gehören damit zur Risikogruppe. Die Stadt Erftstadt sprach daher Ehrenamtler der Arbeiterwohlfahrt an. Franz Schmidt und Markus Becker sagten sofort zu, die Organisation zu übernehmen. „Innerhalb von drei Tagen hatten wir 45 Leute im Boot“, sagt Becker. Darunter auch Mitarbeiter der AWO-Kitas. Markus Becker hatte mit anderen vor Kurzem das AWO Jugendwerk gegründet, in der sich junge Leute aus Erftstadt sozial engagieren. Sie bilden das Kernteam der Initiative und haben Freunde aktiviert.

Der jüngste Helfer ist gerade mal 17 Jahre alt. Auch andere sind dem Aufruf gefolgt. Darunter die 21jährige Marla Mühlberg und die 20jährige Eva Isakeit. Beide Studentinnen hatten gerade Zeit, weil sich der Unistart verschoben hat. „Ich mache auch in Zukunft weiter mit“, sagt Marla. Eva hatte Freundinnen aus dem Tennisclub Lechenich angesprochen, die hier eifrig mithelfen. Sie holen die Lebensmittel von den Händlern ab und retten diese vor dem Müll. Statt einer Abholstation werden nun Tüten gepackt und an die rund 250 Haushalte gebracht, die in der Tafel registriert sind. Auch die Leche – nicher Schützen übernehmen Fahrtdienste. „Es ist wirklich viel Arbeit“, sagt Markus Becker. „Wir merkten sofort, dass die Leute leider auf die Tafel angewiesen sind“, so Andreas Houska von der AWO Rhein-Erft. Anpacken, wenn Hilfe gebraucht wird, das gilt auch für die „Flinken-Helfer- Finger-Erftstadt“. Anja Sonnenberg hatte die Gruppe mit Sabine Acker und Claudia Kleinhaus ins Leben gerufen, die bis jetzt bereits über 6000 Textilmasken hergestellt haben. „Die älteste Näherin bei uns ist 84 Jahre alt. Für die ist das auch eine positive Aufgabe in diesen Tagen“, sagt Sabine Acker. Aber auch Profischneiderinnen sind engagiert. Genäht wird nach standardisierten Vorlagen und die Masken werden an medizinische Einrichtungen verteilt. Wer sich nicht für das Nähen begeistern kann, findet dieser Tage eigene Möglichkeiten sich einzubringen. Frank Wachtmeister ist IT-Fachmann und hat zwei 3D-Drucker selbst gebaut. Damit stellt er nun Gesichtsschutzmasken her. Bereits über einhundert hat er selbst produziert und stellt sie über den Chaos Computer Club medizinischen Einrichtungen kostenlos zur Verfügung. Wachtmeister arbeitet mit Kollegen weltweit zusammen. „Kollegen in Indien habe ich auch schon Tipps gegeben, wie sie die herstellen können. Dort ist die Not sehr groß“, so Frank Wachtmeister. „Ich finde es schön im Homeoffice nebenbei etwas ganz Reales zu machen und helfen zu können.“