„Der Sitzungspräsident“ – Karnevalist mit Leib und Seele

In diesem Jahr ist alles anders. Auch für die Karnevalisten. Wegen des Coronavirus sind die allermeisten Veranstaltungen abgesagt oder in digitale Formate umgewandelt. Das trifft vor allem diejenigen hart, für die der Karneval ein Teil des Berufes ist. Wie Volker Weininger. Der gebürtige Windecker ist mit seinem Alter Ego „Der Sitzungspräsident“ eine feste Größe im Rheinischen Karneval. Wir haben mit ihm über seine Rolle und die Auswirkungen der Krise gesprochen.

Hallo, Herr Weininger. Wie isset?

Jot jenoch, würd´ ich mal sagen. Im Ernst: Den meisten von uns geht’s aktuell nicht blendend. Ich bin immerhin gesund und Mitglied einer funktionierenden Familie. Von daher lässt sich die Zeit im Lockdown auch ganz gut überstehen. Aber eine ausfallende Session ist natürlich, was das berufliche angeht, schon der Supergau.

Wie sind Sie eigentlich Sitzungspräsident geworden?

Diese Figur spiele ich schon sehr lange. Angefangen hat das Ende der 1990er Jahre in Koblenz im Café Hahn. Da hatten wir eine alternative Karnevalsshow namens „Die blaue Bütt“. Die habe ich als Sitzungspräsident moderiert. Und jetzt spiele ich die Figur schon seit über zwanzig Jahren und sie hat sich immer weiter entwickelt. Das Vorbild dafür gibt es übrigens tatsächlich. Ich kann mich an einen Sitzungspräsidenten erinnern, der auch recht früh recht angeheitert war und dabei aber trotzdem einen sehr hohen Unterhaltungswert hatte. Daher stammt die Ursprungsidee.

Was ist der Sitzungspräsident denn für ein Typ? Und wie viel Volker Weininger steckt drin?

Na, das ist schon ´ne Type. Und in großen Teilen unterscheidet er sich auch sehr von Volker Weininger. Der Sitzungspräsident ist zunächst mal Karnevalist mit Leib und Seele. Und auch Vereinsmeier. Er lässt sich nicht gern in seine Amtsgeschäfte reinreden, ist eher konservativ, neuen Sachen nicht immer sonderlich aufgeschlossen. Er ist natürlich auch jemand, der sich gerne mal einen genehmigt. Aber dadurch hat er ein bisschen mehr Narrenfreiheit und man kann ihm nicht lange böse sein. Viele von uns kennen die Nöte, die er im Verein hat. Was er da anspricht, ist zwar oft überzogen. Aber da steckt meist doch auch ein Körnchen Wahrheit drin. Und darum können sich viele mit ihm identifizieren. Egal, ob aus dem Karnevals-, Schützen- oder Sportverein – solche Leute kennt doch irgendwo fast jeder, der etwas mit Vereinen zu tun hat. Ich bin selber auf dem Dorf groß geworden, komme aus Schladern. Und darum weiß ich genau: Das sind die Leute, an die man sich zurück erinnert. Die Leute, die Anekdoten beleben, die das Dorfleben bereichern, die Geschichten erzählen – über die man gelacht hat, ohne sie auszulachen. Und die braucht man im Dorf.

Wie entsteht Ihr Programm? Woher nehmen Sie die Einfälle?

Ich tue mich immer ein bisschen schwer mit der Antwort. Und kenne sie eigentlich auch selbst nicht genau. Aber es ist sicher so: Ich kenne diese Figur des Sitzungspräsidenten in- und auswendig. Ich weiß wie er tickt. Wie er denkt. Welche Standpunkte er hat. Das alles ist für mich schlüssig. Ich setze mich oft hin und frage mich, was sind Themen, die den Sitzungspräsidenten bewegen? Die im Verein eine Rolle spielen, aber – das ist wichtig – auch über den Verein hinaus? Das versuche ich, aus der Sicht des Sitzungspräsidenten zu erzählen und dann zu schauen, wo sind komische Aspekte? Zum Beispiel Übertreibungen, Analogien, die keine sind oder Vergleiche, die eigentlich nicht auf der Hand liegen. Am Ende das Witzige darin zu entdecken, das hat wahrscheinlich etwas mit Talent zu tun.

Apropos: Talent. Warum findet man eigentlich so viele Lehrer im Karneval auf der Bühne oder in der Bütt?

(Lacht)

Das habe ich mich auch schon gefragt. Aber eine befriedigende Antwort habe ich auch noch nicht gefunden. Das ist übrigens nicht nur im Karneval, sondern auch im Kabarett so zu beobachten. Bei einigen ist es vielleicht so, dass sie das zwar studiert haben, vielleicht aus dem Bedürfnis heraus, etwas Anständiges zu lernen, aber dann dennoch nicht in den Schuldienst gegangen sind.

Was macht der Präsident eigentlich, wenn die Session rum ist? Ferien bis zum 11.11.?

Analog zum Fußball gilt: Nach der Session ist natürlich vor der Session. Ich nehme mir zwar immer vor, nach Karneval mal zwei Wochen Pause zu machen. Aber das ist mir noch nie so richtig gelungen. Irgendwas kommt dann doch dazwischen. Im Frühjahr geht die Tour los und man ist mit dem Soloprogramm unterwegs. Oder es kommen Anfragen, die man dann bedienen möchte. Und ich habe beispielsweise auch meine Onlineauftritte oder Clips, die ich aktuell aus dem Büro an der Quaran-Theke oder aus dem Homeoffice mache. Ab April oder Mai setze ich mich schon wieder hin und mache mir Gedanken für die nächste Session. Und hoffe damit spätestens Anfang September fertig zu sein, damit ich bis Oktober an der Rede noch herumschrauben kann. Ich bin da ziemlich akribisch und streng mit mir selber. Am Ende möchte ich auf jeden Satz, den ich sage, auch wirklich Lust haben. Und das dauert eben eine ganze Weile.
Aber im Sommer nehme ich mir immer eine Auszeit und mache bewusst auch mal nichts. Ansonsten ist das eben ein Beruf, in dem man nie richtig frei hat.

Karneval fällt dieses Jahr aus. Was bedeutet das für Sie?

Klar ist: Der Karneval ist meine Haupteinnahmequelle. Und wenn das wegfällt ist das schon ein harter Schlag. Von dem ich mich nicht zu Boden strecken lasse. Aber das sollte bitte nicht jedes Jahr passieren. Wenn man durch den Lockdown wenig Sozialkontakte hat und all die Einschränkungen hinnehmen muss, die alle hinnehmen müssen, und dann gleichzeitig in einer Branche ist, die wirtschaftlich stark betroffen ist, dann ist das kein Vergnügen. Aber ich bin ein grundsätzlich optimistischer und zuversichtlicher Mensch. Man darf jammern, ok. Aber das macht ja nichts besser. Darum versuche ich, positiv zu bleiben, nach vorne zu schauen und hoffe, dass die Dinge bald wieder besser werden.

Welche Tipps hat der Präsident denn für seine Amtskollegen in den Vereinen? Wie kommt man gut durch die Krise?

Das erste und wichtigste ist, dass man gesund bleibt. Also sollte man sich an die Regeln halten, Abstände halten und möglichst wenig direkte Kontakte haben. Das ist der Schlüssel, damit wir in dem Schlamassel nicht noch länger drinstecken. Aber wenn beispielsweise Online-Zusammenkünfte organisiert oder Orden verschickt werden, oder wenn man mal zum Hörer greift und mit den Leuten telefoniert, dann merken die Leute: Wir sind noch da, wir halten den Kontakt untereinander. Und das ist wichtig. Eine tolle Möglichkeit ist übrigens auch, sich seine eigene Sitzung im Netz zusammen zu stellen. Schauen Sie doch mal unter www.jeckstream.de nach. Da kann man aus einer großen Auswahl mit vielen bekannten Künstlern und Bands des Rheinischen Karnevals wählen und dann allein, mit der Familie oder sogar mit Freunden feiern. Es gibt auch fertige Programme, auf die man Zugriff erhält. Das finde ich eine tolle Sache, weil man sich so den Karneval nach Hause holen kann und gleichzeitig die Künstler unterstützt, die es in der aktuellen Situation nun wirklich nicht leicht haben.

Das ist eine tolle Idee. Zum Schluss noch eine Frage: Hand aufs Herz: Schon mal ein Grapefruit-Weizen getrunken?

Man muss den Feind doch kennen!