Bepöbelt, bespuckt, getreten und geschlagen – Aggressionen gegen Retter nehmen zu

Rettungskräfte beklagen eine zunehmende Kon frontation mit Gewalt und Aggression. Sogar bei lebensrettenden Einsätzen werden sie geschlagen, getreten und mit den unflätigsten Ausdrücken beleidigt. Besonders verwerflich: Gassensperrer und Gaffer, die wehrlose Unfallopfer filmen. Wir haben die Feuerwehrchefs von Wesseling und Brühl befragt. 
von Hans Peter Brodüffel
„Bei jedem zehnten Einsatz werden meine Leute geschlagen, bespuckt und mit den unflätigsten Ausdrücken beleidigt. Wir werden immer mehr mit unfassbaren Aggressionen konfrontiert. Es gibt keinen Respekt und keine Scham mehr“, klagt Wesselings Feuerwehrchef André Bach. Besonders aggressiv seien 20 bis 40 Jahre alte Männer. Stark zugenommen habe das hemmungslose Filmen von wehrlosen Unfallopfern. „Wir können da kaum was gegen machen, da wir uns ganz auf das Retten von Menschenleben konzentrieren müssen.“ Die tieferen Ursachen für die verstörende Verrohung lägen, so Bach, in den Familien, wo die Kinder nicht mehr erzogen und die Verantwortung an die damit überforderten Kindergärten und Schulen delegiert würde. Hinzu käme die durch die sozialen Medien geschürte Sensationsgier. Bach überlegt die Anschaffung von hieb- und stichfesten Schutzwesten für seine Kräfte und auch eine Ausbildung in Krav Maga – das in Deutschland boomende als besonders effizient geltende Selbstverteidigungssystem der israelischen Streitkräfte. Gewalt und Angst während des Einsatzes gefährden die fundamental wichtige Handlungskontrolle. Bei dem für Feuerwehr und Sanitäter ausgelegten Training steht ähnlich wie bei der Polizei die Eigensicherung im Vordergrund. Ziel des Trainings ist es, den Rettungskräften effektive und einfache Methoden an die Hand zu geben, um sich gegen Angriffe schützen zu können. Seit der Silvesternacht von Köln lassen sich auch viele Frauen in Krav Maga ausbilden.

Pfefferspray für die Feuerwehr?

Brühls Feuerwehrchef Peter Berg macht die gleichen beunruhigenden Erfahrungen wie sein Wesselinger Kollege. „Erst vor kurzem ist eine Feuerwehrfrau beim Einsatz ins Gesicht geschlagen geworden. Immer wieder werden meine Leute angegriffen, bepöbelt und bespuckt. Es ist einfach nicht zu fassen.“ Auch Berg denkt über Schutzmaßnahmen wie den Einsatz von Pfefferspray nach. Bereits seit längerem können sich seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Polizei in Deeskalation trainieren lassen. Besonders beklagt sich Berg über Gassensperrer und Gaffer auf den der Brühler Feuerwehr zugeteilten Abschnitten auf den Autobahnen A553 und A1/ A61. „Viele Autofahrer weigern sich, eine Gasse zu bilden und beschimpfen die Rettungskräfte und Gaffer filmen schwer verletzte Menschen. Bei Unfällen bremsen LKW-Fahrer auf der Gegenspur ab, lassen das Steuer los, um mit beiden Händen zu filmen.“ Berg hofft, dass das Filmen wehrloser Opfer in Zukunft hart bestraft wird. Die Ursachen für das verabscheuungswürdige Verhalten sieht Berg ebenfalls in der fehlenden Erziehung und in den so genannten sozialen Medien.