Zwischen Jubel und Sorgen

2023 war das Jahr der Jubiläen in Erftstadt, viele Vereine und Gruppen feierten runden Geburtstag. Doch auch die Nachwirkungen der Flut und die finanziellen Sorgen sind in den letzten Monaten wichtige Themen gewesen. Das Erftstadt Magazin schaut auf ein bewegtes Jahr zurück

von Philipp Wasmund

Noch immer zeigen sich an vielen Stellen die Nachwirkungen der Flut- und Starkregenkatastrophe von 2021. Viele betroffene Bürger sind noch nicht mit der Sanierung ihres Zuhauses komplett fertig. Andere haben auch Schwierigkeiten mit Versicherungen. Ebenso ist die Stadtverwaltung umfangreich gefordert beim Wiederaufbau für eigene Gebäude und der Infrastruktur. Gleichzeitig stellt sich die Aufgabe, den Hochwasserschutz zu verbessern. Im Herbst begannen Workshops für die Ortsteile, durchgeführt von einem Ingenieurbüro, die der Startschuss für ein Konzept sein sollen, durch das in Zukunft Katastrophen dieser Art minimiert werden sollen. In drei Jahren soll es vorliegen. Aktuell können Bürger eigene Erfahrungen und Ideen auf der städtischen Webseite eingeben. Mit der Wiedereröffnung des Marien-Hospitals wurde eine tiefe Wunde der Katastrophe geschlossen. Glück im Unglück ist die Zerstörung des Krankenhauses gewesen. Denn nun hat Erftstadt ein modernes Krankenhaus.

Positiv bleibt auch die Unterstützung aus vielen Richtungen in Erinnerung. Gefeiert wurde noch an vielen Orten, um sich bei Helfern und Spendern zu bedanken. Im Februar übergaben die „Kölschen Funken rut-wieß vun 1823“ 50.000 Euro für ein „Haus der Begegnung“ im Übergangsheim an der Radmacherstraße. Auch die Unterkunft in der Hochstraße feierte in diesem Jahr ihre Wiedereröffnung, denn der Starkregen hatte hier ebenso gewütet. Andere Sorgen bleiben im Hinterkopf, bestimmen aber nicht mehr den Alltag wie noch zuvor: Im Februar konnte wieder der Straßenkarneval so gefeiert werden, wie es vor der Pandemie üblich war. Die Folgen des Krieges in der Ukraine stellte die Gesellschaft vor Herausforderungen. Der Rat der Stadt entschied symbolträchtig, mit der ukrainischen Stadt Ternopil eine Städtepartnerschaft einzugehen. Nur wenige Monate später sorgte eine Entscheidung in der Ukraine für Verwunderung und Diskussionen. In Ternopil wurde das Stadion nach einem Nationalisten benannt, der im Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Wehrmacht kämpfte.

Jubiläen gefeiert

Seit 25 Jahren gibt es den Förderkreis Denkmalpflege in Erftstadt. Zum Jubiläum schenkte der Verein der Stadt einen Kronleuchter für das historische Rathaus in Lechenich. Er passt nun besser zum Gebäude im neugotischen Stil. Viele Vereine feierten in diesem Jahr ihr Jubiläum. 110 Jahre gibt es den Musikverein Friesheim, der sich mit einem Open-Air-Konzert-Wochenende auf dem Hans-Kadner-Platz traditionell und modern feierte. 50 Jahre gibt es auch das Flötenorchester Gut Klang und 40 Jahre den Frauenchor Lechenich. 100 Jahre feierte der SC Ville. Der Fußballverein entstand vor einigen Jahren aus dem SC Kierdorf und SSV Köttingen. Die Köttinger sind der etwas ältere Verein, dessen Gründung Anlass zum Jubiläum gab. Im Laufe des Jahres wurde der Zusammenschluss jedoch auf eine Probe gestellt. Das Ziel, durch die Fusion einen Kunstrasenplatz zu erhalten, ist derzeit nicht in Sicht. Der von dem Verein gewünschte Platz zwischen den Orten sollte durch einen bereits bewilligten Förderbescheid möglich werden. Doch der Kreis genehmigte den Platz aus Gründen des Landschafts- und Klimaschutzes nicht. Alternativen werden in den beiden Orten unterschiedlich gesehen und belasten das gemeinsame Projekt. Im Bliesheim konnte dagegen im März bereits wieder Fußball auf dem neuen Untergrund gespielt werden.

Kontrovers wird auch die Entwicklung des Feldes zwischen Liblar und Bliesheim gesehen. Seit Jahren ist dort die Ansiedlung der TH Köln angedacht. Bislang ist die Entscheidung dafür nicht gefallen. Des Weiteren soll hier die „Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung“ eine Zweigstelle eröffnen. Im Mai kann hierbei Vollzug gemeldet werden. Auch ein dazugehörendes Wohngebiet soll entwickelt werden. Doch nicht zuletzt durch die Erlebnisse des Starkregenereignisses fürchten die Anwohner nun die Versiegelung der Fläche. Dazu kommen Sorgen über den Verkehr.

Seit zehn Jahren ist Erftstadt in einem Haushaltssicherungskonzept. Es bedeutet, dass Pläne aufgestellt werden mussten, um die Stadt in den Bereich der „schwarze Zahlen“ zu bringen, um nicht in den Nothaushalt zu kommen. Sonst würden viele Ausgaben verboten, Rat und Verwaltung wären durch die Kommunalaufsicht fremdbestimmt. Im Juni schien der Haushalt noch planmäßig auf die „schwarze Null“ hinauszulaufen. Ende des Jahres verhängte Kämmerer Dirk Knips jedoch eine Haushaltssperre, da er das Ziel in Gefahr sah. Dadurch darf die Verwaltung in 2023 keine Ausgaben mehr tätigen, außer jenen, zu denen sie vertraglich oder gesetzlich verpflichtet ist. Das bedeutet: Sparen sogar bei kleinsten Ausgaben. Für das nächste Jahr wurde die Erhöhung vieler Abgaben und Entgelte für die Erftstädter angekündigt, um die Einnahmesituation zu verbessern. Anfang dieses Jahres wurde bereits die Grundsteuer erhöht. Neu ist auch die Stadtordnung aus dem Juni. Dafür wurden einige Verwarn- und Bußgelder angepasst. Spiel- und Bolzplätze dürfen nun stadtweit in der Regel nur noch bis 22 Uhr genutzt werden. Es gibt zudem ein ausdrückliches Fütterungsverbot von Nutria, Ratten, Mäusen und Bisamratten, was bislang nur für Enten und Tauben galt.

Im November wurde ein Kleinod über Herrig präsentiert: „Herrig betet und arbeitet!“ lautet der Film aus dem Jahr 1947, den der damalige Pfarr-Rektor Wilhelm Reyle gedreht hat und der vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte digitalisiert wurde. Für Historiker hat der Amateurfilm hohen Wert, denn er zeigt die Nachkriegsjahre auf dem Land – im Alltag, bei Festen und im Schulunterricht.

Eine schöne Nachricht konnte der Förderverein Erftstädter Karneval am Jahresende verkünden. Bei ihrer Veranstaltung „Danze im Sunnesching“ hatten fast alle Tanzgruppen der Stadt mitgemacht. Am Ende bedeutete das eine erfolgreiche gemeinschaftliche Veranstaltung und knapp 900 Euro pro Verein für die jecke Jugendarbeit.