Schwur wird eingelöst – Blick hinter den Gymnicher Ritt

Der Gymnicher Ritt bleibt ein Ereignis, das viele Menschen begeistert. Im Zusammenschluss aus Kirche und Schützen wurde die 791. Auflage der Fuß- und Reiterprozession abgehalten. Das Erftstadt Magazin war ab dem Morgen ganz nah dran. 
von Philipp Wasmund
Es ist 7:30 Uhr, Christi Himmelfahrt in Gymnich. Musikkapellen nehmen bereits Aufstellung. Die Jungschützen lächeln fröhlich und treiben ihre Späße in der Wartezeit. Dabei klingelte für sie um kurz nach 6 Uhr der Wecker. An den Ständen sind die Händler noch dabei Schilder anzubringen und die letzten Waren für den Jahrmarkt aufzustellen. Das Ordnungsamt geht seine Runde, bestimmt aber freundlich gibt es Hinweise an die Händler. Die Reiter absolvieren seit einer halben Stunde ihre Abläufe, richten den Sattel und die Fahnen. Nicht jeder ist es gewohnt über Stunden zu reiten, doch einmal im Jahr ist es soweit. Im Schloss Gymnich sind bereits Fernsehjournalisten eingetroffen. Es wird eine Dokumentation über das Schloss und den Gymnicher Ritt gedreht. Doch erst einmal gibt es für alle Frühstück. Katharina und Gerd Overlack, die Besitzer des Schlosses haben viele Verwandte eingeladen, um den Gymnicher Ritt gemeinsam zu erleben. „Unsere Enkelin lebt in München und wird demnächst ein Referat in der Schule über den Gymnicher Ritt halten“, erzählt Katharina Overlack lächelnd. 2012 hatte das Paar das Schloss erworben. Die Bedeutung des Ritts haben sie schnell verinnerlicht. „Dieses Dorf hat einen ganz besonderen Charakter“, findet die Schlossherrin. „Wo gibt es das noch, dass fast alle von Kindesbeinen an sich so engagieren?“ Der Gymnicher Ritt geht auf eine Sage aus dem Jahr 1095 zurück, als Ritter Arnold I. von Gymnich in der Schlacht von Damiette mit seinem Pferd in einen Sumpf geriet und um Hilfe flehte. „Wenn du, oh Herr, mich rettest aus dieser Not, dann will ich mit all meinen Mannen, Dir zu Ehr, alljährlich einen Ritt halten um die Gemarkung meines Heimatdorfes Gymnich, und meine Nachfahren sollen es so halten und tun bis in fernste Zeiten.“ Ein Schilfhuhn scheuchte das Pferd so auf, dass es sich befreien konnte. „Es ist wichtiger, dass die Menschen hier bis heute zusammenstehen, als dass die Geschichte wirklich wahr ist“, findet Katharina Overlack.

Wertvolle Kreuzpartikel

Angereist ist heute auch Franz Josef Graf Beißel von Gymnich. Sein Urgroßvater ist auf Schloss Gymnich groß geworden. Er selbst lebt auf Burg Satzvey. Seit zwanzig Jahren ist er Protektor der St. Sebastianus Schützenbruderschaft. „Mir bedeutet es sehr viel, Teil dieser Tradition zu sein“, sagt er bestimmt. Protektor der Kunibertus Schützengesellschaft ist seit vier Jahren Gerd Overlack. Eine gute Aufteilung bei zwei so großen Schützengesellschaften. „Schließlich ist eine Aufgabe der Kunibertus Schützen, das Schloss zu beschützen“, erklärt Katharina Overlack ihre Verbindung. „Wir lieben das Alte und Traditionelle“, fügt sie hinzu. Gerd Overlack geht merklich in der Aufgabe auf. Nervös schaut er auf die Uhr, als Familie und Journalisten auf den Hof treten. Der Bote mit den Kreuzpartikeln ist noch nicht eingetroffen. Doch etwas Zeit bleibt noch. Zunächst erreichen die blauen Schützen das Schloss. Unter ihnen ist Jakob Flohr, Präsident der Kunibertus Gesellschaft und aktuell zugleich ihr Schützenkönig. Strahlend über das ganze Gesicht trifft er mit der Gefolgschaft im Schlosshof ein. Gerd Overlack übergibt feierlich die Standarte, die wiederum an einen Reiter übergeben wird. Auch Bürgermeister Volker Erner und der stellvertretende Landrat Bernhard Ripp sind gekommen. Danach tritt die Gruppe ab, um Platz für die Sebastianus Schützen zu machen, denen Overlack die Kreuzpartikel übergeben soll. Ritter Johann von Gymnich soll es im 15. Jahrhundert im Heiligen Land entdeckt haben. Es liegt das Jahr über in der Schatzkammer der Erzdiözese in Köln. Es sind zwei sehr kleine Holzspäne, die zu einem Kreuz zusammengelegt wurden und in einem wertvollen goldenen Kreuz eingefasst sind. Siegfried Pollauf, seit vierzig Jahren Schützenmitglied, trägt es in einem Koffer und tritt nun mit schnellen Schritten die lange Einfahrt des Schlosses entlang. Er selbst ist zwar evangelisch, dennoch bedeutet die Reliquie ihm etwas: „Das ist für mich ganz einfach Heimat, obwohl ich hier nicht geboren bin.“ Kurz darauf treten Kapellen und die Schützen, zu Fuß und zu Pferde, auf den Hof. Sebastianus Präsident Thomas Müller erhält das Kreuz aus den Händen Overlacks. Besucher sind bei der Übergabe keine mehr erlaubt, seit vor einigen Jahren ein Kind von einem herabfallenden Ast getötet wurde. Da man sich nicht darauf verlassen könne, dass die Besucher auf den Wegen bleiben, ist dies nicht anders möglich, erklären die Overlacks. Langsam verlassen die Schützen den Schlosshof. Draußen schauen die nächsten Nachbarn interessiert zu. Ida ist 13 Jahre alt: „Ich finde das cool“, sagt sie mit Blick auf die Reiter. Ihr Vater Holger Reverey schaut eher amüsiert. „Das ist schon sehr nett gemacht, aber die Kirmes interessiert uns etwas mehr“, sagt er augenzwinkernd. Auf dem Rittplatz, der 1953 gebaut wurde, beginnt nun die Reitermesse, während die Fußpilger, das Ave Maria proklamierend, die Prozession antreten. Reiner Feil, Vorsitzender der Karnevalsfreunde Gymnich ist unter den Zuschauern der Messe. „Was die beiden Gesellschaften hier auf die Beine stellen, davor ziehe ich meinen Hut.“ Die Prozession führt einmal um Gymnich herum, ehe man sich zur Abschlussmesse gemeinsam wiedertrifft. Wieder einmal wurde Ritter Arnolds Schwur eingelöst – bis zum nächsten Jahr.