Autor & Kabarettist Moritz Netenjakob: „Sürth ist der perfekte Stadt-/Land-Kompromiss“

Er hat den Schritt nie bereut: Vor zehn Jahren zog der Kabarettist, Comedy-Texter und Bestseller-Autor Moritz Netenjakob (47, „Macho Man“, „Der Boss“) von der Kölner City nach Sürth. Zusammen mit seiner Frau und Managerin Hülya ist er in dem südlichsten Stadtteil des linksrheinischen Kölns richtig heimisch geworden. Woran das liegt, erzählt er im „KÖLNER SÜDEN“.
■ CHRISTOF ERNST

Sürth ist für den Autor Heimat: ob im Falderhof…

Moritz Netenjakob: „Selda, die Schwester meiner Frau gab uns den Tipp. Ich war erst dagegen, weil ich Sürth mit der Sürther Straße verwechselt hatte, und da wollte ich auf keinen Fall wohnen.“ Der Irrtum klärte sich rasch auf. Die beiden verliebten sich sofort in den Ort und das zum Kauf stehende Reihenhaus. Das war vor zehn Jahren noch günstig zu haben. Heute kosten diese Immobilien das Doppelte!
 
… oder am Rhein.

Bewusste Entscheidung fürs Reihenhaus
Reihenhaus – ist das nicht gewöhnungsbedürftig? „Nein“, sagt Netenjakob, „das war eine bewusste Entscheidung, so richtig spießig mit Kirschlorbeer-Hecke. Wir finden das schön, dass in der Siedlung so eine Gemeinschaft ist.“ Das hat natürlich auch so seine Besonderheiten, wenn man sich an warmen Sommertagen nach draußen setzt. Der Autor: „Ich saß ich mit meiner Frau im Garten und sprach mit, wie ich dachte, gedämpfter Stimme über den anstehenden Urlaub. Am nächsten Tag meinte mein Nachbar: „Ach, ihr fahrt nach Menorca!“

Her mit den neuen Ideen

Aus solchen Begebenheiten zieht einer wie Moritz Netenjakob seine Ideen und Inspirationen. Und von denen braucht er einige. Denn er steht nicht nur als Kabarettist mit mehreren verschiedenen Programmen auf der Bühne, sondern schreibt auch Sketche für andere, so zum Beispiel für die Stunksitzung. Damit nicht genug. Netenjakob ist auch als Roman-Autor höchst erfolgreich. Das jüngste Werk kam 2016 heraus und heißt „Der Milchschaumschläger“. Wie in den beiden anderen Romanen auch beschreibt er darin auf höchst vergnügliche Weise, wie er mit seiner Frau Hülya daran scheiterte, in Köln ein Café erfolgreich zu führen. Jetzt soll im nicht gerade riesigen Sürth (10 850 Einwohner) neben drei Italo-Restaurants und einem Eis-Café auf der gleichen Straße ein weiteres Café eröffnet werden: „Ich glaube, ich werde den Inhabern mal ein paar nützliche Tipps geben“, meint Netenjakob lächelnd.

Türkei als Dauerthema

Ganz ernsthaft wird der sonst so gut aufgelegte und immer freundliche Comedian, wenn es um die aktuelle Politik der Türkei geht. Seine Erfahrungen nach den jüngsten Zwischenfällen und Verhaftungen: „Wenn ich früher auf der Bühne sagte: ,Meine Frau ist Türkin‘, dann war da so die Erwartung: ,Oh, ja, jetzt wird’s multi-kulti.‘ Wenn ich das heute sage, könnte man eine Stecknadel fallen hören: ,Oh Gott, jetzt wird es ernst.‘ Netenjakobs elegante Art, den Druck vom Kessel zu nehmen: „Ich sage dann: „Meine Frau ist gegen die Todesstrafe – selbst wenn ich den Klodeckel nicht runterklappe.‘“

Netenjakobs Highlights

Schluss mit Politik: Zum Ende des Treffens zeigt Moritz Netenjakob noch seine Lieblingsorte in Sürth, die er bei seinen Spaziergängen gerne ansteuert. Zum Beispiel den Falderhof. Den gibt es schon seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts. In den 1960er Jahren schien sein Ende nah. Doch dann wurde das historische Ensemble durch den Bildhauer Rudolf Peer und seiner Frau gerettet. Nach einem Besuch der Kirche St. Remigius führt Netenjakobs Weg zum Rheinufer: Einmal hochschauen nach Köln, einmal runter Richtung Bonn. Oder, um es in Moritz Netenjakobs Worten zu sagen: „Sürth, das ist der perfekte Stadt-Land-Kompromiss.“