Ein Jahr in Japan – Zwischen Hightech und Tradition

Großbritannien, USA, Kanada, Australien und seit der Verfilmung von „Herr der Ringe“ auch Neu – seeland sind die beliebtesten Destinationen deu t scher Schülerinnen und Schüler für ein Auslands jahr. Emily Sigee, Schülerin im zehnten Jahrgang des Max-Ernst-Gymnasiums, hat im Alter von 14 Jahren zehn Monate in einem exotischen Land verbracht – in Japan.

von Hans Peter Brodüffel

„Eine Freundin bei den Wildkatzen brachte mich auf die Idee, mein Auslandsjahr in Japan zu verbringen“, erzählte Emiliy Sigee, die sich nicht nur bei den Pfadfindern, sondern auch als Rettungsschwimmerin bei der Brühler Ortsgruppe der DLRG engagiert. „Wir waren alles andere als begeistert, aber Emilys Mut hat uns beeindruckt und letztendlich überzeugt“, sagte Mutter Christiane. Nach einem 15-stündigen Flug von Düsseldorf über Zürich nach Tokio ging es im Anschluss eines viertägigen Aufenthalts in der Hauptstadt Nippons nach Takarazuka, dem Wohnort ihrer Gastfamilie. Die Stadt liegt nordwestlich der Millionenstadt Osaka und in der Nähe von Kobe, wo FCIkone Lukas Podolski mit Visse Kobe letztes Jahr den japanischen Pokal gewann. Emily: „Den Poldi kannten alle, der war sehr beliebt.“ Von ihrer Gastfamilie ist die Brühlerin auch heute noch begeistert. „Herzlich, fürsorglich, unternehmungslustig und mit besonders liebenswerten Großeltern.“ Kurz nach ihrer Ankunft erstellte Emily eine Top 5-Liste ungewohnter Dinge. Dazu gehörten Erdbebenstützen auf ihrem Schrank, die Hightech-Toilette und das allabendliche Baderitual. „Die Badewanne wird jeden Abend genutzt. Die ganze Familie teilt sich das 42 Grad heiße Wasser, deswegen wird vorher auf einem Schemel sitzend geduscht. Wenn man länger als sechs Minuten badet, wird man lebendig gekocht.“

Ein Nickerchen im Unterricht

Die 34 Schülerinnen und Schüler in Emilys Klasse verbeugten sich vor dem Lehrer, saßen an Einzeltischen, trugen blau-weiße Schul uniformen und hatten an fünf Tagen in der Woche von 8 bis 17 Uhr Frontalunterricht. „Die große Überraschung aber war, dass man hin und wieder den Kopf auf den Tisch legen und schlafen durfte. Wenn das Nickerchen aber zu lange dauerte, hat sich der Lehrer neben einen gestellt und laut in die Hände geklatscht“, erzählte die junge Brühlerin. „Inemuri“ heißt das Wort für Schlafen im Unterricht, eine Zusammensetzung von „da sein“ und „schlafen“. Als besonders positiv empfand Emiliy das Fehlen von Mobbing jeder Art. „Auch die Gruppen sind nicht so abgegrenzt und geschlossen wie in Deutschland. Das läuft alles viel offener ab. Man kann sich zum Beispiel locker dazugesellen ohne das Gefühl, ausgegrenzt zu werden.“ Besonders viel Freude machte ihr die Teilnahme am Kalligrafie- Club nach dem Unterricht. Bei einer Ausstellung erhielt Emilys Kalligrafie einen herausragenden Preis. Ihr Werk mit Pinsel und Tusche beschreibt den Kreislauf des Lebens. Das erste Zeichen von oben, „Blume“, symbolisiert das Aufblühen eines Menschen in seiner Jugend. Das zweite, „Vogel“, steht für das Ausziehen in die Welt. Das dritte bedeutet „Wind“ und wird in der Zeichenkombination für „Aussicht“ genutzt. Es soll dafür stehen, dass man nach dem Entdecken der Welt als „Vogel“ sich endlich niederlassen und die Aussicht genießen kann. Das letzte Zeichen, „Mond“, symbolisiert die Vollkommenheit und erlangte Altersweisheit am Ende des Lebens. Emily zieht eine überaus positive Bilanz ihres Auslandsjahres in Japan: „Die Begegnung mit der faszinierenden Kultur hat mich unglaublich bereichert und mich in meiner Entwicklung gefördert.“ Traurig ist die mittlerweile 15-jährige Schülerin des MEG über die Absage der Olympischen Spiele in Tokio wegen der Corona-Krise. „Die Menschen in Japan haben sich so darauf gefreut – es ist eine Katastrophe.“

Emilys Blog enthält viel interessante landeskundliche Informationen: https://konnichiwhatjapanblog.jimdofree.com/