Wesselinger auf der Sea-Watch 3 – Mission im Mittelmeer

Tausende Menschen, darunter viele Kinder, sterben bei der Flucht über das Mittelmeer. Der Wesselinger Kurt Schiwy war drei Wochen auf der Sea-Watch 3 vor der libyschen Küste ehrenamtlich im Einsatz und half, Menschenleben zu retten.
von Hans Peter Brodüffel
An Bord der Sea-Watch 3 war der ehemalige IT-Experte der Telekom für die Technik zuständig. „Das Schiff ist in den Siebzigern gebaut worden. Die Elektrotechnik funktioniert sehr oft nicht. Wichtigste Hilfsmittel sind Radar und Fernglas“, erzählte der Wesselinger. Mit an Bord waren Ärzte, Journalisten und eine Köchin. Wird ein in Seenot geratenes Boot entdeckt, fahren kleinere Schnellboote hinaus, um die Menschen zu bergen und aufs Schiff zu bringen. An Bord trennt die Crew Männer und Frauen voneinander, registriert sie und versorgt sie medizinisch. „Es gibt auch eine Krankenstation mit einem kleinen Operationssaal.“ Bei einem dramatischen Einsatz 24 Meilen vor der libyschen Küste half Schiwy mit, etliche Menschen zu retten, die mit einem Holzboot über das Mittelmeer nach Europa flohen. Die meisten waren Christen aus Nigeria, darunter ein Neugeborenes und 30 schwangere Frauen. „Bei einer Schwangeren hatte ich totale Angst, sie nicht richtig fassen zu können. Sie wäre einfach ertrunken. Kein Mensch hätte nach ihr gefragt.“ Viele, so Schiwy, waren extrem entkräftet und nach dem Aufenthalt in den libyschen Lagern völlig traumatisiert. „Die kamen aus der Hölle. Das sind Konzentrationslager. Dort sind Vergewaltigungen, Misshandlungen und Sklaverei an der Tagesordnung. Keiner möchte dableiben oder wieder zurückkehren. Sie nehmen lieber das Risiko in Kauf, im Mittelmeer zu ertrinken.“ „Wenn sie es bis nach Europa in die Auffanglager geschafft haben“, so der 55-jährige“, sind sie wenigstens sicher. Ein Lager auf Sizilien oder sonstwo in Europa sei immer noch besser als in Libyen. Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass die Menschen bereits wochenlang unterwegs waren und auch die Sahara durchquert haben“, so Schiwy.

Kritik an der EU

Natürlich seien Menschenschlepper kriminell und es sei bekannt, dass sie pro Mensch 2.000 Dollar und noch mehr verlangen. „Das sind sehr unangenehme Menschen. Sie sind aber auch Lebensretter.“ Schwere Vorwürfe macht der Wesselinger der libyschen Küstenwache. der EU und den Anrainerstaaten. Bei den Libyern müsse man den Eindruck gewinnen, dass ihnen ertrinkende Menschen gleichgültig sind. „Und wo sind die Frontex-Flugzeuge? Schlauch- und Holzboote könnten dank modernster Technik wie Thermoscanner schnell aufgespürt werden.“ Die Flüchtlingsströme werden sich aus Schiwys Sicht auch mit den derzeitigen Maßnahmen nicht eindämmen lassen. Die Regierungen der EU müssten alles daran setzen, dass in Afrika korrupte politische Systeme nicht mehr unterstützt werden. Unternehmen aus der EU dürften die Länder nicht mehr „gnadenlos ausbeuten“. Hier müssten die Entscheidungen ansetzen. „Eine große konzertierte Aktion muss auf den Weg gebracht werden“, fordert Schiwy.