Neue Projekte im Revier – Landrat Michael Kreuzberg im Gespräch

Michael Kreuzberg ist Landrat des Rhein-Erft- Kreises und Mitglied der Kohlekommission. Als Chef der Kreisverwaltung und Leiter der Kreispolizeibehörde bleibt er voraussichtlich bis 2020 im Amt. Heike Breuers sprach mit dem gebürtigen Kölner über anstehende Projekte im Revier und neueste Entwicklungen beim Kohleausstieg.
von Heike Breuers
Stadt Magazin: Seit 2013 sind Sie Landrat des Rhein-Erft-Kreises. Welche Aufgaben nehmen Sie dort wahr?

Kreuzberg: Der Landrat ist der von den Bürgerinnen und Bürgern des Kreises bei den Kommunalwahlen direkt gewählte Chef der Kreisverwaltung. Stark vereinfacht habe ich bei meiner täglichen Arbeit dann zwei Hüte auf, denn der Kreis erledigt zum einen Aufgaben in eigener Zuständigkeit und andere als sogenannte Staatliche Verwaltungsbehörde. Zum Beispiel entscheidet der Kreis selbst darüber, wo er Kreisstraßen baut oder wie er die Schulen in seiner Trägerschaft ausstattet. Die Aufgaben als staatliche Verwaltungsbehörde führt der Kreis nach bundes- bzw. landesweiten Recht und Gesetz aus. „Im“ Rhein-Erft-Kreis bin ich darüber hinaus auch Leiter der Kreispolizeibehörde. Daneben vertrete ich den Kreis auch in Gremien nach außen z.B. als Vorsitzender des Verwaltungsrates der Kreissparkasse Köln oder als Verbandsvorsteher des Naturparks Rheinland.

SM: Welche Projekte stehen 2019 im Rhein-Erft-Kreis an?

Kreuzberg: Der Kreistag hat im vergangenen Jahr einen Doppelhaushalt für die Jahre 2019/20 beschlossen. Geplante Projekte werden also nicht zwingend noch in diesem Jahr umgesetzt, sondern sind Bestandteil des noch von der Bezirksregierung Köln zu genehmigenden Haushalts. Ein Schwerpunkt liegt im Bereich Soziales. Darüber hinaus sind z.B. auch Maßnahmen für die Bereiche Ökologie, Straßenbau und ÖPNV geplant.

SM: Der Bereich Soziales spielt eine wichtige Rolle, was sind entscheidende Projekte?

Kreuzberg: Für das erste Quartal ist die technische Scharfschaltung einer Heimfinder-App geplant. Die App verschafft insbesondere Angehörigen einen schnellen Überblick über freie Langzeit- und Kurzzeitpflegeplätze in den Pflegeeinrichtungen im Kreisgebiet. Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels in der ambulanten Pflege erfolgt die Einrichtung einer Pflegekonferenz. Für die ehrenamtlichen Demenzberater wird ein Schulungsangebot konzipiert das ihre Arbeit mit Demenzerkrankten erleichtern und ein Stück weit professionalisieren soll.

SM: Was gibt es Neues in den anderen Bereichen?

Kreuzberg: Seit diesem Ausbildungsjahr stellt der Kreis seinen Auszubildenden das VRS Azubi- Ticket kostenlos zur Verfügung. Über das Bürgerportal des Rhein- Erft-Kreises kann die Liegenschaftskarte in Kürze online bequem und zum halbierten Preis gegenüber des analogen Auszugs heruntergeladen werden. Ab dem Frühjahr startet das Projekt „Netzwerk Biodiversität/ Artenvielfalt im Rhein-Erft- Kreis“ mit dem Ziel Maßnahmen gegen den Insektenrückgang zu ergreifen. Die ÖPNV erwartet Förderzusagen für örtliche Mobilstationen bis zum Sommer.

SM: Mit welchen Neuerungen können die Bürger in Brühl rechnen?

Kreuzberg: An der K 7 / L 183 in Brühl Badorf fällt der Umbau der Kreuzung in einen Kreisverkehrsplatz sowie der endgültige Ausbau des Verkehrsprovisorium K 7 an der Gesamtschule an. Seit 2018 läuft in Wesseling ein Pilotprojekt zum Thema „Präventive Hausbesuche“ in Zusammenarbeit mit der Diakonie Michaelshoven. Ziel des Projektes ist die Unterstützung für alte, kranke und behinderte Menschen ab 75 Jahren zur Vermeidung einer frühzeitigen stationären Hilfe. Aufgrund der positiven Ergebnisse wurde beschlossen, das Projekt auch in anderen Kommunen durchzuführen.

SM: Sie sind auch Mitglied in der Kohlekommission, was genau sind ihre Aufgaben dort?

Kreuzberg: In die Kommission wurde ich als Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) berufen. In der ZRR haben sich die betroffenen Kreise, die Wirtschaftskammern, die Bergbaugewerkschaft und das Land NRW organisiert, um eine breit abgestimmte Entwicklungsperspektive für das Rheinische Revier als attraktiver Wirtschafts- und Industrieregion vereinbaren zu können. Die Ziele und Erwartungen bringe ich in die Kommissionsarbeit ein.

SM: Wie lauten ihre Anforderungen an den Strukturwandel im Rhein-Erft-Kreis?

Kreuzberg: Es muss „nachhaltig“ sein. Das ist ein Modewort, ich weiß. Für unsere Region kann ich das aber konkret definieren: Die im Revier wegfallenden mindestens 30.000 Arbeitsplätze in Industrie und Handwerk müssen durch neue Arbeitsplätze mit gleichwertigem Lohn- und Qualifikationsniveau ersetzt werden. Das kann auch gelingen, denn das Rheinische Revier liegt verkehrsräumlich an einem Knotenpunkt des europäischen Warenverkehrs, bedeutende Universitäts- und Forschungsstandorte sind nah, die Bevölkerungsprognosen weisen uns als Wachstumsregion aus. Wir sind also keinesfalls ein – ich sage es mal salopp – Subventionsfass ohne Boden. Aber die konkrete Umsetzung kann die kommunale Ebene nicht alleine schaffen. Der Bundesregierung muss bewusst sein, dass sie finanzielle und planerische Perspektiven hierfür schaffen muss. Im Bereich der Infrastruktur wird dies sehr deutlich: Die Tagebaue im Rheinland sind nach beanspruchter Fläche und Tiefe die größten Europas. Neue Straßennetze, aber vor allem Schienen, ein dichtes und modernes Stromnetz oder das 5GNetz können in dieser Größenordnung nur mittels substanzieller Beiträge des Bundes realisiert werden. Eine leistungsfähige Infrastruktur ist die wichtigste Voraussetzung für die Ansiedlung neuer und großer Unternehmen.

SM: Welche Maßnahmen sind für den Kohleausstieg im Revier geplant?

Kreuzberg: Die Strukturkommission gibt lediglich Empfehlungen für die Zukunft der gesamten Kohlewirtschaft. Für die absehbare Zukunft habe ich persönlich aber bereits Ideen und verfolge konkrete Projekte. Die Ansiedlung eines Campus der TH Köln in Erftstadt, an dem junge Raumplaner und Transformationsexperten ausgebildet werden sollen, ist ein solches Projekt. Auch die Frage der intelligenten Steuerung des Stromnetzes in Zeiten vieler dezentraler Produktionsstandorte bietet große Perspektiven. Hier gibt es mit dem virtuellen Kraftwerk in Elsdorf bereits eine konkrete Unternehmung im Kreis. Insgesamt liegen bei der Zukunftsagentur schon mehr als 130 strukturwirksam empfundene Projektideen vor.

SM: Der Hambacher Forst sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Wie hoch sind die Chancen für den Erhalt?

Kreuzberg: Das kann niemand prozentual beziffern. Sie sind aber höher als noch vor einem Jahr. Denn die Kommission wird nach meiner Wahrnehmung Laufzeitverkürzungen empfehlen, welche dann zwangsläufig Folgen für den räumlichen Zuschnitt der Tagebaue haben werden. Wie weit Abbaukanten aber letztendlich vorangetrieben werden, kann ich nicht beurteilen.