Liebenswürdiges Chaos – Erich Herman‘s „Jeisterzoch“ begeistert Kölner Jecken

Der Initiator des Kölner Geisterzuges ist ein Wesselinger: Erich Hermans (63) ist Vorstand des Vereins „Ähzebär un Ko e.V.“, Mitglied des Rats der Stadt Wesseling und passionierter Fahrradfahrer. Mit ihm sprach Lutz Schumann.
Stadtmagazin: Herr Hermans, Sie sind der Initiator des jährlichen Geisterzugs, des Jeisterzochs, wie die Kölner sagen. Diesen hätte es wohl ohne den 2. Golfkrieg nach dem Einmarsch der Iraker in Kuwait 1990/91 nicht gegeben. Da in Deutschland die Polizei nicht genug Mitarbeiter hatte, wurde der Straßenkarneval kurzerhand verboten.

Erich Hermans: Ja, da sich die offizielle Begründung für das Karnevalsverbot – „in Kriegszeiten dürfe man nicht so ausgelassen feiern“ – schnell als vorgeschoben herausstellte, rief das Kölner Friedensplenum auf meinen Vorschlag hin zu einer Anti-Golfkriegs-Demo am Rosenmontag auf dem üblichen Rosenmontagszugweg auf. Die Anhänger des offiziellen Karnevals wollten „den Chaoten“ die Strecke nicht überlassen und gingen mit. Diese Mischung wurde einer der schönsten Umzüge der Kölner Geschichte.

Stadtmagazin: Damit war der Grundstein des Jeisterzochs gelegt, und wie ging es dann weiter?

Erich Hermans: Nach der Gründung des Vereins „Ähzebär un Ko e.V“ fungiert dieser als Veranstalter und trägt – durch Spenden finanziert – auch die Kosten des Geisterzugs, um die 10.000 Euro pro Jahr. Der erste Geisterzug fand am 29.2.92 statt, anschließend ging es jährlich weiter.

Stadtmagazin: Für Immis: Was verbirgt sich hinter diesem kölschen Vereinsnamen?

Erich Hermans: Ein Ähzebär (Erbsenbär) ist ein traditionelles Karnevalskostüm. Der Strohbär (Oberbegriff) ist eine Figur der schwäbischalemannischen und der fränkischen Fastnacht. Seine Strohhülle bestand unter anderem aus dem Stroh der Futtererbse.

Stadtmagazin: Was macht den Erfolg des Jeisterzochs aus?

Erich Hermans: Die Mischung aus karnevalistischen und politischen Inhalten macht’s. Jeder kann diesen Zug als Demonstration benutzen. Und wer „einfach nur“ feiern will, ist natürlich auch gerne gesehen.

Stadtmagazin: Wie stehen Sie zu unmaskierten Zugteilnehmern?

Erich Hermans: Im Geisterzug darf jeder spontan und ohne vorherige Anmeldung mitlaufen, notfalls auch unmaskiert. Auch Zuschauer werden geduldet, Mitgehende sehen wir natürlich lieber. Aber: Et jitt kein Kamelle, och kein Strüßjer. Hüchstens ens e Bützje (Es gibt keine Bonbons, auch keine Blumen. Höchstens ein Küsschen.) Der Zugweg, rund 4 ½ Kilometer, wechselt jährlich. Es soll nicht wie bei den anderen Karnevalszügen immer dieselbe Strecke langgelatscht werden.

Stadtmagazin: Im Zug gibt es weder Autos noch Paradewagen oder Musik vom Band. Ist der Jeisterzoch technikfeindlich?

Erich Hermans: Ja, trotz PC-Benutzung und Autofahren einiger der Zugorganisatoren. Musikmachen kann man auch ohne Strom. Die vielen teilnehmenden Sambagruppen und Kochpottdeckelspieler beweisen es. Zudem soll es auch Leute geben, die noch Texte von Karnevals- und Polit-Liedern singen können.

Stadtmagazin: Nach zehn Jahren war der Jeisterzug am Karnevalssamstag 2018 mal wieder auf der Schäl Sick unterwegs und bewegte sich vorrangig durch Kalk.

Erich Hermans: Als Motto des diesjährigen Geisterzugs hatten wir uns an den Slogan „Make Love not War“ aus den 60er Jahren angelehnt und diesen ins Kölsche übersetzt: „Poppe, net Kloppe – mer trecke för dr Fridde“. Mehr als 2.500 aktive Teilnehmer – darunter auch zahlreichen Musik-, Samba- und Trommelgruppen wie Katakichi Cologne – und mehrere tausend Zuschauer am Zugweg waren auf den Beinen.

Stadtmagazin: Und wie geht es in der neuen Session weiter?

Erich Hermans: Natürlich wird es auch 2019 einen Geisterzug geben. Diesmal geht es durch Lindenthal und Sülz. Das Motto: „Kölle kritt dr Kollaps – mieh Platz för Rädcher“. Das Besondere: Im Zug erlaubt sind diesmal auch Fahrrad- und Rikschafahrer, natürlich nur in Sambaschritt-Geschwindigkeit. Karnevalsamstag, 2.3.19, ab 18 Uhr, Abmarsch wie üblich Punkt 19 Uhr.

Weitere Infos auf die Internetseite des Geisterzugs unter www.geisterzug.de