Engel in Brühl – Auf den Spuren der Himmelsboten

Seit 30 Jahren bietet Petra Lentes-Meyer spannende und informative Führungen durch die Schlossstadt an. Zu Beginn der Adventszeit begeben wir uns mit der beliebten und kundigen Stadtführerin auf Spurensuche Brühler Himmelsboten. Der ideale Ausgangspunkt ist die vor 525 Jahren geweihte Kirche „St. Maria von den Engeln“ in der Schlossstraße.
von Hans Peter Brodüffel
Am 8. Dezember 1493, vor 525 Jahren, wird die in einfacher Gotik gehaltene Klosterkirche „St. Maria von den Engeln“ der Franziskaner in Brühl geweiht. Clemens August lässt die an der Nahtstelle zwischen Stadt und Residenz gelegene schlichte Kirche im 18. Jahrhundert zur der prachtvollen barocken Schlosskirche mit dem von Balthasar Neumann konzipierten imposanten Altar umfunktionieren. „Wenn man die Kopfflügler mitzählt, findet man in der Schlosskirche über 50 Engel“, erzählt Petra Lentes-Meyer. Die „Kopfflügler“ sind körperlos, bestehen tatsächlich nur aus Kopf und Flügel und verdeutlichen somit umso mehr das überirdische Wesen der Engel. Besonders imposant ist die Figurengruppe mit der Verkündigung an Maria durch einen Engel, der in seiner rechten Hand eine Lilie als Symbol des Reinen hält. Neben diesen imposanten Engeln fallen die zahlreichen Putten (Putto, italienisch für Knäblein) auf, die sich betend und in die Hände klatschend auf den Nebenaltären tummeln. „Putten sind Zeugnis der Sehnsucht der Menschen nach Jugend und dem Paradies. Sie führen oft Hilfstätigkeiten aus oder fordern den Betrachter zum Gebet auf“, erläutert unsere Engelexpertin. Ein regelrechtes Engelkonzert mit dem über allen thronenden und Harfe spielenden König David bevölkert die Orgel. Christel Keller, der gute Geist der Schlosskirche, schließt uns die Tür zum alten Kreuzgang auf. Dort bestaunen wir die sechs Engel von der ehemaligen Orgel aus dem 18. Jahrhundert, auf der 1763 ein siebenjähriges Wunderkind namens Wolfgang Amadeus Mozart gespielt haben soll und die im Bombenhagel am 28. Dezember 1944 zerstört wurde. Messdiener retteten die 1,35 Meter hohen Lindenholzskulpturen aus den Trümmern der Schlosskirche. Sogar in der Sakristei findet sich ein in die Schranktür geschnitzter Engel Michael aus den 1930er Jahren als Hommage an den früheren Küster Michael Britz. Oft übersehen werden die Engel, die als Relief das Bronzeportal der Schlosskirche zieren. Lentes-Meyer: „Der Kölner Künstler Elmar Hillebrandt hat hier in beeindruckender Weise unter anderem die Verkündigung und Maria, die von Engeln gen Himmel getragen wird, dargestellt.“

Engelsscharen in der Wallstraße

Nur wenige Schritte von hier entfernt, an der Rathauswand über dem Eingang zum Zoom-Kino tauchen Engel auf einem großflächigen Sgraffito (Dekorationstechnik zur Bearbeitung von Wandflächen) auf. Es zeigt eine Dreiergruppe im Anbetungsgestus. „Ganz im Stil der 1950er Jahre“, erklärt Lentes-Meyer. Am denkmalgeschützten Teil des Rathauses Steinweg breitet über dem Portal zum Standesamt, zur Zeit versteckt hinter einem Gerüst, ein pausbäckiger Putto seine Flügel aus und mahnt: „Haltet Rat vor der Tat.“ Einen leicht verwitterter Steinengel, der früher die Westfassade des Schlosses zierte, treffen wir vor dem Eingang des Museums für Alltagsgeschichte. Gleich um die Ecke in der Wallstraße begegnen wir in der griechisch-orthodoxen Kirche ganzen Scharen von Engeln. Unser Wort Engel leitet sich von griechischen angelos ab, was soviel wie „Bote“ bedeutet. Neben den Engeln an der Ikonostase im Obergeschoss findet man auf einem Kerzenhalter ein besonders originelle Engeldarstellung: Ein keckes Engelchen zieht den Teufel am Schwanz und hindert ihn so daran, Schaden anzurichten.

Engel als positive Wirkkraft

„In den ersten nachchristlichen Jahrhunderten werden Engel als junge Männer in antiker Tracht ohne Flügel dargestellt. Seit Ende des vierten Jahrhunderts erscheinen sie geflügelt. Die Flügel sollen dem Überwinden von Zeit und Raum Ausdruck geben“, erzählt Lentes- Meyer. In der Gotik begegnen wir Engel in Kindergestalt. Geflügelte Engelköpfe tauchen neben lieblichen Mädchen-Engeln und schönen Jünglingen in der italienischen Kunst der Renaissance auf. Der Barock kennt sowohl den geflügelten Athleten, als auch die Putten. Im 19. Jahrhundert werden Engel sowohl männlich, als auch zunehmend als junge Frauen dargestellt. Glaubt Brühls beliebte Stadtführerin an Engel? „Ja, als positive Wirkkraft“, antwortet die katholische Christin. „Die Menschen lieben Engel, weil sie ein Grundbedürfnis nach Schutz und Geborgenheit haben.“ Bei ihren Lesungen in der Adventszeit zitiert Petra Lentes-Meyer gerne aus dem Gedicht „Wie süht nen Engel us?“ der Kölner Mundartautorin Elfi Steickmann: „Villeich wonnt nen Engel met deer Dör aan Dör/Mer kann et nit wesse, doch stell deer ens vör/dat die Häng, die dich dröcke und deer jevve Halt/nem Engel jehöre en Minschejestalt.“